Jüdische Spuren beidseits des Rheins

Zugegeben, der Titel „Judentum am Oberrhein“ sprang mir nicht entgegen. Nun kam es aber so, dass ich in meinem privaten Umfeld feststellen musste, dass Klischees und Vorurteile über Juden tiefer in der Gesellschaft verwurzelt sind, als mir bewusst war. Etwas aus Trotz und mit viel Neugier entschließe ich mich also zur Auseinandersetzung mit dem Thema.

Mit dem Sonnenaufgang beginnt die Fahrt nach Straßburg. Unser erster Stopp ist ein 3D-Modell der heutigen Stadt, anhand dessen uns Reiseleiter Dr. Stefan Woltersdorff das frühere jüdische Viertel mit der noch existierenden Rue des Juifs zeigt.

Das frühere jüdische Viertel liegt hinter dem Münster, das heutige Viertel ist hier nicht abgebildet.

Am Rabenplatz erzählt uns der Reiseleiter vom Leben und Leiden des Journalisten Berthold Jacob Salomon, der 1933 nach Machtergreifung der NSDAP über den Rhein nach Straßburg floh und von hier aus bis 1939 den Unabhängigen Zeitungs-Dienst herausgab. Seine Flucht in die USA 1941 scheiterte, er wurde von der Gestapo verhaftet und starb an den Haftfolgen.

Bei unserem Weg durch die Altstadt entdecken wir bei einem Blick durch die Gitter Spuren des ehemaligen jüdischen Friedhofes, der bis zum Progrom 1349 bestand.

Wenige Schritte entfernt begegnet uns das imposante Straßburger Münster.

An diesem romanischen Stufenportal sind Ecclesia und Synagoge dargestellt, die Christentum und Judentum bzw. Neues Testament und Altes Testament symbolisieren. Die Siegerin ist Ecclesia, mit Krone und Messkelch abgebildet. Synagoge hingegen hält einen dreifach gebrochenen Stab und ihre Augen sind verbunden, als könne sie die Wahrheit nicht erkennen.

In der Mitte dargestellt ist das Urteil des König Salomo, das im 1. Buch der Könige aus dem Alten Testament stammt.

In einem anderen Bereich des Münsters gibt es drei Portale, die sich mit den Themen Glaube – Liebe – Hoffnung auseinander setzen. Im Portal, das sich mit dem Glauben befasst, gibt es neben dem gekreuzigten Jesus (mittig) wieder die Darstellung von Ecclesia und Synagoge und außerdem eine Darstellung einer Menora (siebarmiger Leuchter), eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums.

Das mittelalterliche jüdische Viertel unweit des Münsters existiert nicht mehr, nur noch der Straßenname erinnert daran.

Am Place Kléber steht die Aubette, deren Fassade mit den Gesichtern berühmter Komponisten versehen ist. Felix Mendelssohn Bartholdy ist hier nun auch wieder zu finden, nachdem sein Konterfei während der NS-Zeit zerstört worden war.

Nun verlassen wir die Altstadt…

…und begeben uns zu dem Platz, an dem bis zum Jahr 1940 die Alte Synagoge stand. Nun führt hier die Allée des Justes-parmi-les-Nations entlang.

Dr. Woltersdorff erklärt die Architektur der Synagoge, die sich damals gut in das Stadtbild einfügte.

Weiter geht es in das heutige jüdische Viertel; Fotos machen wir nur wenige, denn die Anspannung ist zu spüren. Auch wenn sich die Kinder, die gerade Schulschluss haben, lachend auf den Heimweg machen.

Die heutige Synagoge „Synagogue de la Paix“ von Straßburg

Beim Mittagessen in einem koscheren Restaurant werden bei Salat, Flammkuchen und Pizza alle satt. Die Besonderheit: hier gibt es kein Fleisch, nur Fisch. Denn bei der koscheren Ernährung werden Fleisch und Milchprodukte strikt getrennt.

Nun fahren wir über den Rhein nach Offenburg, um hier eine mittelalterliche Mikwe (jüdisches Ritualbad) zu besichtigen. Der Raum liegt mehrere Meter unter der Erde, da die Mikwe immer auf einem Fließgewässer aufbauen muss. Dementsprechend sind in den Wänden Löcher, damit das Wasser hindurchfließen kann. Auch ein Schacht nach oben an die Frischluft ist Voraussetzung – für die Durchlüftung.

Die Treppe ist original erhalten und für sich schon eine Sehenswürdigkeit

Bei der Führung erfahren wir vom Leid der Offenburger Juden, die 1348 ermordet wurden – ddenn wegen der Pest wurden sie in vielen mitteleuropäischen Städten zu Feinden erklärt. Man wusste noch nicht, dass die Pest durch Flöhe übertragen wird, und hatte den Juden zu Unrecht die Schuld gegeben.

Wir verlassen die frühere Judengasse und machen uns auf dem Heimweg. An einer Raststätte legen wir noch einen letzten Stopp ein und beschließen den Tag mit einem Schluck koscheren Weins und Matzenbrot.

Kurze Zeit später kommen wir wieder wohlbehalten in Karlsruhe an, mit vielen neuen Eindrücken – dieser Beitrag bildet nur einen Bruchteil davon ab.