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Ein ausgebliebener Heiratsantrag und türkische Gastfreundschaft

In unserem Reiseblog veröffentlichen wir regelmäßig Reiseberichte. Eine Vorrede: Im Sommer 1989 waren unser Chef und seine Frau jung und die deutsche Nation noch geteilt. Der Reisedrang in den Osten wurde in den Südosten umgeleitet. In die Türkei zum Beispiel. Es war die Zeit, als man die türkische Südküste zur Touristenregion ernannte, die türkische Riviera aus der Taufe hob. Bei den geschäftstüchtigen Türken herrschte Goldgräberstimmung. Die liberale Wirtschaftspolitik Turgut Özals kurbelte den Tourismus an und brachte fremdes Kapital ins Land. Unter den Reiseveranstaltern Europas herrschte Neugier und Nervosität, weil man immer auf der Suche nach neuen Zielen für die Gäste war und ist. Die große, an Kulturgütern aus Antike und Mittelalter reiche Türkei lockte mit Modernisierung, tausenden neuen Hotelbetten und niederen Preisen.

Um ein Haar hätte der Firmengründer Heinold Hirsch ein neues Hotel an der türkischen Ägäis gekauft. Zwei andere Argumente setzten sich jedoch damals durch: Hirsch Reisen würde sich auf Kunst und Kultur der Türkei konzentrieren und die Badereisen nicht in den Mittelpunkt stellen. Auch war die Situation in den Hotelneubauten nicht so, dass man sie selbst abenteuerlustigen Kunden nach drei Tagen im Autobus mit gutem Gewissen noch hätte zumuten können. Ryanair, Easyjet, Airberlin gab es damals noch nicht. Hirschkunden begaben sich vertrauensvoll in die Hände der Hirschfahrer und machten sich auf die dreitägige Anreise über Belgrad – Sofia – Plovdiv – Edirne – Istanbul nach Turbanakcay. 1992 unterbrach der Jugoslavienkrieg brutal und endgültig die Fahrtstrecke über die berüchtigte Balkanroute.

1989 gab es jedoch eine Anreisealternative mit der Autofähre MV Orientexpress. In Kreuzfahrtmanier gewährte das Linienschiff als „hop on – hop off –Transfer“ angenehmes Reisen auf dem Mittelmeer. Unser Chef nutzte die Orientexpress, um von Venedig nach Istanbul zu gelangen. Die Abfahrt von Venedig war grandios und nur ein klitzekleines bisschen getrübt von dem Wissen, dass „man das nicht tut“ – mit einem Kreuzfahrtschiff den Schlamm der Lagune aufzuwirbeln.

Für unseren Chef und seine Frau (damals noch Freundin) war dies die erste Berührung mit kreuzfahrtartigem Reisen und allem, was dazugehört. Der Inspektionsreisende muss sich auf Überraschungen einstellen, die unser Chef ernsthaft und freundlich hinter sich brachte, wie das Foto mit den Tänzerinnen dokumentiert.

1989MVOrientExpress

Der Aufenthalt an Bord war also ein Kompetenzgewinn, und die Sonnenuntergänge an Deck betörend. Da die Frau unseres Chefs mit 27 noch eine ausgeprägte romantische Ader besaß und sich damals ganz hübsch fand, hielt sie mindestens einen Abend an Deck für „heiratsantragsreif“. Der Heiratsantrag blieb damals jedoch noch aus.

Am dritten Morgen zu früher Stunde liefen wir mit der Orientexpress in Istanbul ein. Schwer lässt sich der überwältigende Eindruck von damals beschreiben. Die historische Halbinsel Byzantion lag im goldenen Morgendunst. Die gewaltigen Silhouetten der Hagia Sophia und der Sultan Achtet Moschee zeichneten sich gegen den Himmel ab. So etwas hatten wir noch nicht gesehen. Um uns herum wuselte Fähr- und Bootsverkehr. Es war hinreißend schön, märchenhaft. Noch nach 20 Jahren zählt die Einfahrt nach Istanbul zu den großartigsten Eindrücken, die wir unterwegs sammeln durften! Zudem nährt dieses Erlebnis die Theorie, dass es keinen angemesseneren Weg für den Reisenden gibt, um sich den Handelsplätzen und Hafenstädten des Mittelmeers zu nähren, als vom Wasser her. Dass Palermo z.B. in der „conca d’oro“, der „goldenen Muschel“, liegt, offenbart sich nicht von der Eisenbahn aus oder vom Flugzeug her, sondern nur vom Schiff.

Zurück nach Istanbul. Die Verzauberten hatten schnell ausgeträumt. An der Anlegestelle wurde unser Chef von Hakan, einem freundlichen Geschäftspartner, herzlich willkommen geheißen. Zum Glück – denn Istanbul empfängt Neuankömmlinge mit Wucht. Der erste Tag verschwimmt auch etwas in der Erinnerung – nehmen wir an, dass Hotelbesichtigungen und eine orientierende Stadtrundfahrt absolviert wurden. Am ersten Abend jedenfalls brachte Hakan den Chef nicht zum Hotel, sondern zu seinen Eltern auf die vornehme „Prinzeninsel“, wo jene ein Ferienhäuschen besaßen. Da autofrei, brachte ein Pferdekütschlein Besucher und Bewohner von A nach B. Nach der lärmenden Stadt drückte die abendliche Stille dort sanft auf die Ohren.

Müde, überwältigt, unvorbereitet, des Türkischen nicht mächtig und ohne das kleinste Gastgeschenk trafen unser Chef und seine Frau bei der Familie Enüstün ein. Ein hellblaues Seidenhalstuch aus dem persönlichen Gepäck war der einzige geschenkwürdige Gegenstand für die Dame des Hauses. Sie nahm ihn – nicht eingepackt wie er war – an und bedankte sich dafür mit einer kleinen Geldmünze; so bleibt man sich in der Türkei nichts schuldig.

Es sollte eine an Lehrstunden reiche Fahrt werden!

(Fortsetzung folgt.)

One Comment

  • Casa Inmobiliaria

    Die Türkei ist eine von den Ländern, die ich am interessantesten finde: ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Architektur, ihre Vielfältigkeit sind wirklich einzigartig. Als ich sehr jung war habe ich eine Rundreise durch die Türkei mit meinem Eltern gemacht und das Land hat mich sofort gefesselt. Später kam ich immer wieder zurück, um letzendlich dort zu bleiben.