www.unsere-chefs-auf-inspektion.de – Texas

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Die atemberaubende Schönheit der amerikanischen Golfküste und warum Hirsch-Kunden trotzdem nicht nach Texas reisen.

Die drohende Ölpest vor der Küste der amerikanischen Südstaaten, die die Menschen seit dem Untergang der Ölförderplattform „Deepwater Horizon“ vor drei Wochen in Atem hält, hat uns Erlebnisse aus dem Jahr 1999 in Erinnerung gerufen. Die Förderkatastrophe erlaubt es mir, „meine Geschichte“ vom Golf von Mexiko zu erzählen, obwohl starke 1000 Meilen Küstenlinie zwischen dem aktuell bedrohten Mississippidelta und unserer damaligen Station Corpus Christi liegen.

Nach allen Reisen, die ich in den letzten 27 Jahren mit „unserem Chef“ unternommen habe, meine ich, dass die amerikanische Golfküste zu den größten Naturschönheiten unserer Erde zählt.

Unser Chef entfaltete Anfang der 90er Jahre seine Leidenschaft für Reisen in die USA. Zu seinen am besten vorbereiteten Erkundungsfahrten zählen bestimmt die minutiös organisierten in die Vereinigten Staaten. Nachdem unser Chef und seine Frau die USA besser kennengelernt hatten, drängte sich – durch die stetige Suche nach lohnenden Destinationen für die Hirsch-Gäste angespornt – folgende Frage: Warum zählt Texas nicht zu den Standardzielen in den USA, wie z.B. Kalifornien? Und warum bieten andere Veranstalter die Südstaaten wenn überhaupt, dann als Kombination an?

Ein „Texasfrühstück“ des texanischen Fremdenverkehrsverbandes (CVB) in Frankfurt bot die Gelegenheit, erste Kontakte zu knüpfen, und am Dreikönigstag 1999 flogen unser Chef und seine Frau über New York nach Midland/Odessa, Texas (Heimatstadt der ehemaligen First Lady Lora Bush.)

Damals war die Welt für Amerikafreunde noch in Ordnung. Man wusste nichts von Al-Qaida, der 11. September 2001 lag in weiter Ferne. Noch musste man Fingerabdrücke und biometrische Erinnerungsfotos für eine Homeland Security hinterlassen. Trotzdem galt es bei der Einreise in die USA im Umgang mit der Einwanderungsbehörde Regeln zu beachten, wenn man ein Touristenvisum besaß: Der Beamte blickt in den Pass und auf den grünen Imigrationsfragebogen, auf dem die Adresse der ersten Übernachtung stehen muss. Dann fragt er: Where are you staying? Die Antwort sollte mit der Angabe auf dem Bogen übereinstimmen. Dann kommt die Frage nach dem Zweck der Reise. Als Tourist reist man durch Maine oder besucht die Tante. So tat das auch der Beamte bei unserem Chef. Der gab zur Antwort, dass man Tourist sei, und nach Midland/Odessa wolle. Der Beamte blickte von den Papieren auf und bemerkte mit unveränderter Stimme: “But that’s not a tourist destination!“ Elegant antwortete unser Chef: „It’s the gate to the Big Bend National Park.“

Unser Chef und seine Frau waren sozusagen als Supertouristen mit einem vollen Terminkalender unterwegs. Zwei Wochen später lagen hinter ihnen: u.a. drei Inlandsflüge, ein paar tausend Meilen im Mietwagen, sieben Standorthotels, mindestens dreimal so viele Hotelbesichtigungen, sechs Stadtrundfahrten, ein Nationalpark, der Rio Grande, sieben Damen vom CVB, das Nasa Space Center, der Flugzeugträger USS Lexington, die Kings Range, zehn Museen, drei Freilichtmuseen, sechs Wehrklöster und ein Rodeo – und die Einsicht, das Texas nicht im Hirsch-Katalog 2000 auftauchen würde! Leider.

Das Resumé lautete: Die Attraktionen, die Texas als Reiseland für europäische Touristen lohnend machen würden, sind zu dünn gesät und liegen viel, viel zu weit auseinander. 80% der Museen waren zum damaligen Zeitpunkt veraltet, nur zwei hatten internationalen Standard (zwei private Stiftungen übrigens). Auch die aufwändig zusammengestellten Freilichtmuseen zur privaten texanischen Hausbau- und Wohnkultur konnten dieses Manko nicht ausgleichen. Dazu kam, dass die Innenstädte der texanischen Großstädte auf charakteristische Weise desperat sind. Selten unsentimental wurde alte Bausubstanz beseitigt, um Büros oder Einkaufzentren zu errichten. Überall klafften große Baulücken und breiten sich Brachflächen aus. Viel städtisches Leben spielt sich wegen der Hitze gut klimatisiert unter dem Straßenpflaster ab. In Texas geht es nicht um Kunst und Kultur, sondern darum, mit Öl und Rindern Geld zu verdienen. Die grandiosen Naturerlebnisse im Big Bend Nationalpark oder an der Golfküste stehen in krassem Widerspruch zu öden Ölförderregionen und gigantischen Raffinerieanlagen, die man auf den Autofahrten passiert.

Der Vogelfreund, der nun erinnernd den Finger heben und an die einzigartigen Möglichkeiten zur Vogelbeobachtung am Golf von Mexiko erinnert, ist ein einsamer Rufer in der buchstäblichen Wüste.

„Thats not a tourist destination.“ Unser Chef musste oft an diesen Satz denken. Die Aussage stimmte und stimmte hundert Mal nicht. Die Golfküste wird im Land „the third coast“ genannt, „dritte Küste“ nach der geschichtsträchtigen Ostküste und der sonnenreichen Westküste.

In Corpus Christi besuchte unser Chef den South Padre Island Nationalparc. Er ist eine ca. 70 km lange Nehrung, die wie eine schmale Sandsichel vor dem Festland liegt. Die CVB-Begleitung an jenem Tag hieß Kim. Ein echtes Texasgirl mit den Hobbys: tanzen, laut lachen, hart arbeiten. Zusammen fuhr man auf die Insel. Auf der Terrasse des Visitor Information Centers studierte man Schautafeln und getrocknete Meerestiere, den Blick immer wieder voll Sehnsucht über das Dünengras zum nahen Strand gerichtet. Unvermittelt trat eine Mitarbeiterin auf die Gruppe zu und fragte, ob man nicht an den Strand wolle? Die Frau unseres Chefs ist nicht gut zu Fuß und bewältigt Reisen dieser Art weitgehend im Rollstuhl. Mit einem Fingerzeig auf jenen gab man zu verstehen, dass das nicht möglich sei. Das sei kein Hinderungsgrund erwiderte die Dame, man würde hier einen Strandrollstuhl bereithalten!

Da die Frau unseres Chefs wegen des Rollstuhls schon über 10 Jahre keinen Strand mehr betreten hatte, wurde nicht gezögert. Unser Chef bugsierte den aus Plastikrohren zusammengesteckten, und mit knallgrünen Ballonreifen versehenen „beachwhealchair“ zwischen den Dünen hindurch ohne Probleme über betonharten, ca. 200 m breiten Sandstrand. Bis ganz nach vorn, wo die flachen Wellen den hellen Sand durchfeuchten. Der Himmel hing, wie oft hier, tief über dem Wasser, der Wind blies ihnen ins Gesicht. Keine Menschenseele weit und breit. (Kim machte sich unsichtbar, als sie merkte, dass sich die beiden Deutschen nicht losreißen konnten. Auch wenn der Zeitplan für diesen Tag perdü sein würde, wartete sie geduldig.) Weder die eiligen sandpiper noch die glasigen Quallen ringsherum nahmen Notiz. Es war hinreisend schön.

Die Insel ist Brutstätte für Zugvögel, ein Paradies für Vogelenthusiasten und die Jugend der umliegenden Städte. Am Wochenende fahren sie mit den Autos auf den Strand zum Flirten, Musikhören und Biertrinken, hinten auf den Pickups stehen dann wattstarke Lautsprecher. (Wie ich sie darum beneide.)

Die Öllache, die aus der Tiefe des Golfs sprudelt, kann die Wasser-, Pflanzen-, und Tierwelt der Golfküste auf Jahrzehnte zerstören. Das ist unfassbar. Auch wir Freunde Amerikas müssen sehen, dass die USA vor ihren Küsten zahlreiche Förderplattformen unterhält, die nicht im Fokus der Postkartenmotive und Fernsehnachrichten stehen, solange sie reibungslos funktionieren. Wir müssen einsehen, dass Amerika, dass Texas einen weiten Weg vor sich hat, wenn es darum geht, jede Art von Erdölprodukten einzusparen.

Der geneigte Leser lernt aus dieser Sache zwei Dinge: 1. Texas ist kein Reiseziel für Amerikaeinsteiger. 2. Selten war eine Inspektionsreise unseres Chefs so intensiv und endete trotzdem ohne eine schöne neue Reise im Hirsch-Katalog.

1999SotolVista_BigBendNP020Mit gutem Gewissen machen wir Sie deshalb auf unsere Florida und Südstaatenreise im November 2010 aufmerksam

One Comment

  • Doris Lott

    Ein sehr bewegender Bericht, der mich berührt hat.Für mich ist alles so selbstverständlich. Die Schuhe von den Füßen streifen, über den Sand laufen, das Meer einatmen, spüren.
    Aber all das ist ein Geschenk, ich weiß. Ein Grund zur Dankbarkeit. Das Bid zeigt ein strahlendes, glückliches Paar. Auch das ist ein Geschenk, ein sehr großes.
    In Verbundenheit grüße ich Sie beide
    Ihre Doris Lott