Syrien

Minarett in Damaskus

Minarett in Damaskus

Es gab, neben dem naheliegenden Argument des immensen kulturellen Reichtums, drei Gründe, meinen Urlaub Mitte Januar in Syrien zu verbringen: die Einladung einer Bekannten (und Hirsch-Kundin), die seit 50 Jahren in Damaskus lebt, der Wunsch meiner Frau, auch mal dieses Land kennenzulernen, und nicht zuletzt die ausgebuchte Hirsch-Reise Syrien Mitte April – es konnte nicht schaden sich da vorher nochmals umzuschauen.

1. Tag:
Die Anreise klappte wunderbar, mit Royal Jordanian über Amman, wo mir zum ersten Mal klar wurde, dass man in Begleitung einer Frau mehr bzw. andere Dinge wahrnimmt als alleine (bisher war mir nie aufgefallen, dass Frauen durch eine separate Sicherheitsschleuse geführt wurden, oder es hat mich einfach nicht interessiert). In Damaskus dann die erste für Hirsch verwertbare Information: der Einreisebeamte  verlangte, zusätzlich zur Visaliste, je eine Passkopie. Hatte mir vorher niemand gesagt, war auch nirgends nachzulesen. Die Sache wurde schnell und unbürokratisch gelöst, und nach einer Viertelstunde hatten wir unser Gepäck. Weitere 30 Minuten später standen wir am Bab Touma, dem Thomastor, um die letzten Meter zu Fuß zurück zu legen. Ich beneidete meine Frau, die zum ersten Mal hier war, aber auch bei mir kam sofort wieder Hochstimmung auf: die Altstadt von Damaskus, Freitagabend, Wochenendstimmung, Gassen voller Menschen (und, wo platztechnisch nur ansatzweise möglich, hupender Autos), uralt und quicklebendig . Mit unseren Koffern drückten wir uns durch die Menge bzw. an den Mauern entlang, ein Grinsen ob des fröhlichen Chaos im Gesicht. Meine letzter Besuch lag fünf Jahre zurück, und ich hatte vorher etwas Sorge gehabt ob ich den richtigen Weg gleich finden würde , aber ich erkannte alles wieder, und unsere Gastgeberin wartete schon in der Tür. In der kleinen Bibliothek gab es einen kleinen Mitternachtsimbiss mit Tomaten, Käse, Avocados, Oliven und einer Flasche libanesischen Rotweins – ein ausgezeichneter Start der Reise.

2. Tag:
Unser Zimmer lag Richtung Bab Touma, ein beliebter Park-, Wende- und Taxiabfahrtsplatz, so dass die Geräuschkulisse bis spät in die Nacht für Unterhaltung sorgte. Das galt insbesondere für das ausgeprägte Hupverhalten der Syrer. Warum nicht mal um drei Uhr morgens 30 Sekunden auf der Sirene bleiben? Kaum wurde es am frühen Morgen ruhiger (die Syrer sind keine Frühaufsteher) informierte uns lautstark der Muezzin der benachbarten Moschee, dass Beten besser als Schlafen sei. Das Thermometer im Badezimmer zeigte 10 °C. Ich war nicht in der Lage den modernen Wassertemperaturregler zu warmem Wasser zu bewegen und musste mit eiskaltem Wasser vorlieb nehmen (meine Frau erklärte mir dann später die richtige Technik).

Um halb neun trafen wir uns mit Hassan, einem deutschsprachigen Guide unserer Agentur, und es ging auf Hotelbesichtigungstour. Zunächst ein Viersterne-, dann zwei Fünfsterne-Hotels, Landeskategorie wohlgemerkt. Das Viersternehotel kam nicht in Frage, wobei ich schon deutlich schlechter untergebracht war. Grundsätzlich waren die Ausstattungen nicht schlecht, aber es war eben „arabisch“, d.h. selbst in den Fünfsternehäusern gab es teilweise staubige Zimmer, gesprungene Fliesen, angeschlagene Möbel. Andererseits, es hatte Lokalkolorit, und man kommt ja nicht wegen der schicken Hotels ins Land. Immerhin entsprechen die Preise europäischen Kategorien, wenn schon nicht die Sterne. Wie dem auch sei, es war gut dass alle Hotels eine Toilette in der Lobby hatten, denn ich hatte 4 Tassen Tee zum Frühstück getrunken.

Mittags war die Pflicht beendet, die Kür begann – Stadtbesichtigung zu Fuß, vom Hedjaz-Bahnhof zur Suleimaniya-Moschee und in den Souq al-Hamediye, direkt zum besten Eisverkäufer der Stadt. Der Laden war brechend voll, das selbstgemachte Milcheis in der Waffel wurde in einen Berg Pistazien getaucht und schmeckte einfach gut. Aus dem Souq heraus standen wir zwischen römischen Tempelruinen vor der unbeschreiblichen Omayyaden-Moschee. Die Eintrittskarten (und den verhüllenden Umhang für meine Frau – eine weitere Sache, die mir das letzte Mal nicht aufgefallen war) gab es links von der Moschee in einem kleinen Häuschen. Meine Frau guckte etwas unsicher, sie sah aus wie eine Mischung aus kleinem Wichtel und türkischer Putzfrau. Am Eingang zogen wir die Schuhe aus und verstauten sie in unserem Rucksack, dann standen wir staunend im großen Hof. Der blankgewienerte Fliesenboden begeisterte unzählige Kinder, die wie die Wilden hin und her rannten, durch die Gegend schrien und Wettrennen bzw. Wettrutschen veranstalteten. Vielleicht machten sie das auch nur, damit ihnen warm wurde, denn der Boden war eiskalt. Die Moschee selbst war genauso beeindruckend wie bei meinem letzten Besuch. Hier könnte man Stunden verbringen, wenn es nicht noch so vieles mehr zu sehen gäbe.

Im Azem-Palast, einem alten Adelshaus mitten im Gassengewirr, war ebenfalls Highlife (es war Samstag), und wir drückten uns mit Dutzenden von Einheimischen durch die engen Räume. Es war im Prinzip unnötig, denn mit etwas System hätte man das Gedränge  verhindern können (indem man z.B. immer erst die Leute raus ließe, bevor man selbst hinein drängte), aber es schien Teil des Spaßes zu sein, und so machten wir mit.

Über die „gerade Straße“ (leckere Pistazien!) schlenderten wir zur Ananias-Kapelle, begaben uns über eine Treppe auf das Niveau vergangener Zeiten hinab, studierten die hier stattgefundenen Erlebnisse des Saulus/Paulus und waren spätnachmittags wieder „zuhause“. Aber kein Verschnaufen, es ging direkt mit dem Auto auf den „Hausberg“ von Damaskus, den Djebel Kassioun, wo angeblich Kain seinen Bruder Abel erschlagen hat und von wo schon Mohammed auf die Stadt blickte. Die Aussicht auf die riesige Stadt war ebenso spektakulär wie der Wind eisig, weshalb wir es nicht allzu lange da oben aushielten.

3. Tag:
Zimmer und Bad waren auch heute Nacht ziemlich frisch, aber immerhin wusste ich jetzt wie ich an heißes Duschwasser kam (Kommentar der Gastgeberin: „Auch bei meinen letzten Gästen war die Frau die technisch Begabtere.“). Um halb acht brachen wir auf gen Norden, mit Hassan und dem Fahrer Adib. Wir fuhren nach Maalula, besuchten die uralte Kirche, hörten das Vaterunser auf aramäisch und probierten einen kleinen Schluck heiligen Weins. In Homs fing es an zu schütten wie aus Kübeln, und wir flüchteten in das zu besichtigende Safir Hotel, wo uns ein lustloser und ausschließlich arabisch sprechender Page eilig einige Zimmer zeigte, um anschließend sofort wieder zu seiner scheinbar vorzuziehenden Beschäftigung (stehen und in den Regen starren) zurückkehrte. Das Hotel machte einen ganz ordentlichen Eindruck, wenn auch die fünf Sterne maßlos übertrieben waren. Auf der Weiterfahrt legte Hassan eine Erzählung von Rafik Schami in den CD-Player, und wir lauschten einer Geschichte über die Bewohner von Homs und ihre Eigenheiten.

Der Regen ließ auch auf dem Krak des Chevaliers, Bilderbuchritterburg und Traum jedes kleinen (und großen) Jungen, nicht nach. Aber  auch bei den Kreuzrittern war ja sicher nicht immer schönes Wetter. Vorteil war, dass wir die gesamte Anlage praktisch für uns alleine hatten und ausgiebig erkunden konnten. Im neuen Panorama-Restaurant hinter der Burg wurde uns einheimisches Knoblauchhähnchen angepriesen, und wir akzeptierten, ohne nach dem Preis zu fragen. Das Hühnchen war recht gut, der Preis entsprach dem eines kompletten Menus in unserem gestrigen Lokal in der Altstadt (inkl. Wein!). Lektion gelernt.

Durch die bei guter Sicht sicher eindrucksvolle Berglandschaft (wir hatten Nebel) fuhren wir nach Safita, um das nächste Hirsch-Hotel anzugucken. Es war recht kalt und hatte auch keine Gäste, da die Saison erst im März beginnt. Trotzdem warteten im Restaurant zwei Kellner, geschniegelt und gestriegelt, im voll eingedeckten Saal, als ob sie jeden Moment eine ganze Busladung voller Touristen erwarteten. Die Zimmer waren sauber und ordentlich, und alle hatten Balkon und einen tollen Blick ins Tal (nehme ich an – wir sahen nichts). Im Garten bog sich eine Palme im Sturm.

Die übrige Fahrt, hinunter ans Mittelmeer und entlang der Küste in die Hafenstadt Lattakia, war Weltuntergang, finster, stürmisch, der Regen hörte gar nicht mehr auf. Entsprechend hatten wir keine Lust mehr, unser Hotel (ein großer Kasten direkt am Meer, wir waren scheinbar die einzigen Gäste, mal abgesehen von etlichen Hotelangestellten) zu verlassen oder alleine im kalten Restaurant zu essen, und bestellten eine Auswahl Mezze aufs Zimmer – die passende Flasche libanesischen Weins hatten wir schon unterwegs in einem Lädchen besorgt.

4. Tag:
Erster Blick hinaus – immer noch viel Wind, aber Stückchen blauen Himmels! Das Frühstück war gut wie ich es hierzulande kannte, mit Oliven, Gurken, Tomaten, Käse, Quark, etc. Und dann Ugarit. Von vielen eigentlich so stolzen Einheimischen habe ich schon gehört, dass die Anlage eigentlich nicht so großartig sei – ich bin anderer Meinung. Was für ein bedeutender Platz! Mit etwas Phantasie konnte man sich sehr gut die Stadt mit Palast und Baal-Tempel vorstellen. Es gab sogar neue Infotafeln, das letzte Mal waren es nur einige wenige rostige Schilder. Das unentschlossene Wetter (Regen, Sonne, Wolken) tauchte die Anlage abwechselnd in Licht und Schatten, während wir begeistert durch die Ruinen wanderten.

Nach Geldwechsel und kurzem Bummel durch das moderne Lattakia fuhren wir Richtung türkische Grenze in die Berge, bis die gewaltige Saladinsburg vor uns lag, zwar nicht so gut erhalten wie der Krak, aber um einiges größer und in spektakulärer Landschaft. Die Kreuzritter hauten eine fast 30 m tiefe Schlucht in den Fels, um die Burg zu schützen. Auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Ayyubiden und Mamluken bauten später auch noch mit, und das Ergebnis hatten wir wieder ganz für uns alleine, mit Türmen, Kellern, Zisternen, Bädern, Mauern. Besser als jede Playmobil-Burg. Vom Wächter bekamen wir noch ein Glas Tee, bevor wir weiterfuhren.

Unser Fahrer stammte wohl aus der Gegend und wollte uns noch das Hotel eines Verwandten zeigen. Pflichtschuldig schauten wir uns die Zimmer an, sauber und ordentlich, aber definitiv zu einfach für die Hirsch-Kunden. Im nächsten Dorf hielten wir an einem Backofen am Straßenrand bei einem hutzeligen Ehepaar. Der Mann fachte das Feuer an (und den Rauch, der grundsätzlich immer in unsere Richtung blies), und die Frau knetete Teig, den sie dann auswalkte, bevor sie mit bloßer Hand in die Flammen langte und den Fladen an die Innenwand des Lehmofens klatschte. So weit so gut, das kannte ich schon aus anderen Ländern. Das frische Brot schmeckte köstlich. Anschließend gab es aber noch allerhand Besonderheiten.  So bestrich sie die Fladen mit diversen Dingen, wie Tomaten, Thymian oder Spinat, oder fertigte sogar mit Käse gefüllte Teigtaschen. Und das alles blieb tatsächlich ohne Belagverlust an der Innenwand des Ofens kleben und schmeckte hervorragend!

Frisch gestärkt fuhren wir immer weiter bergauf in den Schnee, bis wir über die Kuppe kamen. Fast auf Höhe der Wolken, erstreckte sich direkt unter uns das fruchtbare Tal des Orontes. Wer mag in den vergangenen Jahrtausenden hier nicht alles durchgezogen sein? Wir knipsten wie die Großen, während sich Fahrer und Reiseleiter mit Schneebällen bewarfen. Eine gute halbe Stunde später hatten wir auf einer Serpentinenstraße das Tal erreicht und fuhren unserem Tagesziel, Aleppo, entgegen, wo wir im Hirsch-Hotel Mirage abstiegen.

Zitadelle von Aleppo

Zitadelle von Aleppo

Wir mussten unsere Pässe an der Rezeption abgeben und wurden auf einen „Welcome-Drink“ in das Café geladen – angesichts der Außentemperaturen wählten wir Tee. Das Zimmer lag im 8. Stock, mit schönem Blick über die Stadt und, wenn man sich weit genug aus dem Fenster lehnte, zur Zitadelle. Das Zimmer war ordentlich, das Bad neu. Leider scheint man in Syrien keine Lärmschutzfenster oder Doppelverglasung zu kennen, so dass Lärmempfindlichen die Mitnahme von Oropax empfohlen sei.

Am Abend schlenderten wir auf der Suche nach einem Restaurant durch die umliegenden Straßen und besichtigten auch noch ein neues Hotel. Meine Frau machte mich darauf aufmerksam, dass außer ihr kaum Frauen auf der Straße waren. Auch in den Restaurants saßen nur Männer. War mir wieder nicht aufgefallen, ich hatte einfach die angenehme Ruhe genossen. Aleppo schien also konservativer als z.B. Lattakia oder Damaskus zu sein. Wir probierten ein Restaurant auf dem Dach eines Eckhauses und unser erstes syrisches Bier. Der Kellner fragte nur grob nach unseren Wünschen (1 x Hühnchen, 1 x vegetarisch), das reichte schon zu Bestellung – serviert wurden dann diverse Vorspeisen, Salat, und eben die Hauptgerichte, Hähnchenspieß und einheimisches Pizzabrot. Ein Kellner begrüßte uns mit „Moin moin“ und erzählte er sei mal in Ostfriesland gewesen. Für das komplette Menu inklusive Bier mussten wir nur knapp 7,- Euro pro Person zahlen – das blöde Knoblauchhuhn von vorgestern war fast doppelt so teuer gewesen.

5. Tag:
Nach dem Frühstück warteten wir vor dem Hotel auf Hassan und Adib und fuhren dann direkt nach St. Simeon, einige Kilometer außerhalb. Der Himmel war strahlend blau, die Pfützen mit einer Eisschicht bedeckt. Das Kloster beeindruckte mich wie beim ersten Mal, ein traumhaftes Stück Erde. In der wärmeren Jahreszeit ein beliebter Picknickplatz auch bei Einheimischen, waren wir jetzt wieder alleine. Nach der Besichtigung spazierten wir noch etwas über die alte Pilgerstraße am Fuße der Anlage, zwischen den Ruinen toter Städte.

Das loster von St. Simeon

Das Kloster von St. Simeon

Zurück in Aleppo erwartete uns eine kleine Enttäuschung, die Zitadelle war für drei Tage wegen Restaurierung geschlossen. So sagte uns jedenfalls ein Junge vor dem geschlossenen Tor. Sehr schade. Also fuhren wir ein kurzes Stück weiter ins armenische Viertel und schlenderten dort durch die Gassen (u.a. durch eine Gasse, in der ausschließlich Handtaschen verkauft wurden). Hassan führte uns in ein Restaurant, sehr schön restauriert und sehr teuer. Diesmal entschieden wir uns nur für ein paar Mezze, aber es war trotzdem teurer als das gesamte Menu am Vorabend. Aus dem Keller, der angeblich in einen geheimen Gang in die Zitadelle mündete, hat man eine spacige Karaoke-Bar gemacht.

Danach durfte sich meine Frau wieder einen schicken Kapuzenumhang leihen, wir besuchten die große Moschee mit ihrem wunderschönen Minarett. Das Gebet fing gerade an, so dass wir uns mit der Innenbesichtigung beeilen mussten. Direkt von der Moschee ging es in den Souq, mit angeblich 12 Kilometer Gassen der größte Syriens, wie es sich für eine alte Handelsmetropole gehört. Meine Frau erfeilschte einen Schal und zwei der typischen Holzkästchen, ich begnügte mich mit einem billigen syrischen Fussballtrikot. Am anderen Ende des Souqs waren wir kurzfristig verwirrt, fanden aber schnell den Weg durch die Altstadt zurück zum Hotel – an dessen Lage gab es wirklich nichts auszusetzen.

6. Tag:
Die gepackten Koffer ins Auto und weiter ging´s, zunächst ins antike Apamea mit seiner beeindruckenden Säulenstraße. Eine halbe Millionen Menschen soll hier gewohnt haben. Welch prachtvolle Stadt muss das einst gewesen sein! Eine Zeitmaschine müsste man haben – vor meinem inneren Auge sah ich mich in Sandalen und Toga durch die gepflasterten Straßen flanieren, an Tempeln und Bädern vorbei, auf die belebte Agora, und aus einer schattigen Ecke den regen Handel beobachten. In der Realität kamen wir aber nur in eine kleine Hütte mit dicken teetrinkenden Männern.

Nächster Stopp war Hama, die angeblich konservativste Stadt Syriens. Ich konnte keine großen Unterschiede erkennen, bin aber in dieser Beziehung wohl etwas abgestumpft. Hama ist bekannt für seine gewaltigen Wasserräder, die das kostbare Nass auf Aquädukte hoben. Natürlich ist auch diese Stadt uralt (erste Spuren aus dem 6. Jahrtausend), aber daran hatten wir uns schon gewöhnt – alles nach dem 12. Jh. lief für unseren Guide schon fast unter modern. Wie das wohl ein Amerikaner empfinden würde?

In Homs bogen wir ab nach Osten, und die Landschaft änderte sich recht schnell. Schnell waren wir in der Wüste. Straßenschilder wiesen Richtung Irak und Bagdad, Namen, die wahrscheinlich jeden Reisenden neugierig machen. Was für eine große Geschichte hat dieses „Zweistromland“! Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben diese spannende Gegend in meinem Leben zu bereisen. Für uns ging es aber in die „Palmenreiche“ nach Palmyra, und dort zunächst auf die Zitadelle, um uns von oben einen ersten Überblick über die Ruinenstadt, die Oase, die Grabtürme und die umliegenden Berge zu verschaffen. Vor langer Zeit müssen diese kahlen Hügel alle mit Wald bedeckt gewesen sein. Kaum mehr vorstellbar.

Unten im Städtchen (wie ausgestorben, ohne Touristen)  bezogen wir unser Zimmer im Hirsch-Hotel Villa Palmyra. Die ersten zwei Stockwerke jagten mir einen Schrecken ein, denn die Zimmer waren Baustelle, aber man versicherte uns, dass alle Zimmer komplett renoviert und bis spätestens März fertig würden. Unser Zimmer im dritten Stock jedenfalls war in Ordnung, zwar recht klein, aber ausreichend. Und es war ja nur für eine Nacht, sowohl für uns als auch für die Gruppe. Wir hielten uns nicht lange auf und spazierten direkt zu den nahegelegenen Ruinen. Die Sonne schickte sich gerade an unter zu gehen, und das Licht änderte sich minütlich. Die Einheimischen brausten über die dafür eigentlich nicht geeignete Straße wie die Verrückten, ein dicker Beduine begleitete uns mit dem Moped und versuchte seinen Schmuck loszuwerden. Die Preise fielen alle 20 Meter, die Temperaturen auch. Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf den großen Baal-Tempel hinter den Mauern, dann wurde es schnell dunkel, und wir machten uns frierend auf dem Heimweg.

BildPalmyra

Der Hirsch-Katalog in Palmyra

7. Tag:
Palmyra die Besichtigung! Leider bei bewölktem Himmel und ziemlicher Kälte. Aber dafür praktisch alleine in der gesamten Anlage – wer kann das schon von sich behaupten? Vom Museum holten wir den Mann mit den Schlüsseln für die Gräber, von denen wir anschließend zwei besichtigten. Im Turmgrab lagen die Toten einst, sauber gestapelt, über mehrere Stockwerke –die „Schubladen“ waren noch deutlich zu sehen. In einem weiteren, unterirdischen Grab funktionierte es nach dem gleichen Prinzip, nur eben nicht in die Höhe.

Wo wir schon in der Ecke waren besichtigen wir die drei nahegelegenen Hotels – alle syrische Fünfsterne, aber sehr weit vom Städtchen entfernt und in der Hauptsaison maßlos überteuert. Im neuesten der drei, erst vor wenigen Tagen eröffnet und noch nicht ganz fertig, sahen wir zum ersten Mal richtig schön und geschmackvoll eingerichtete Zimmer ohne einen Kratzer. Aber erfahrungsgemäß dürfte das nicht lange so bleiben …

Die weiteren Besichtigungen begannen mit dem großen Tempel, und Hassan machte uns auf einige Dinge aufmerksam, die wir sonst wohl nicht gesehen hätten – Reliefs auf der Unterseite von Steinquadern, zum Beispiel, die man nur am Boden liegend erkannte. Immer wieder versuchten wir uns vorzustellen, wie dieser gewaltige Tempel wohl einst ausgesehen hatte. Anschließend gingen wir durch das Hadrianstor und die Säulenstraße zum Theater (der Wächter hatte sich in sein Kabuff verzogen und war weniger um Eintrittskarten besorgt denn um die Tatsache, dass wir schnell wieder die Türe schlossen, um die Kälte draußen zu lassen), zur Agora und dem Tetrapylon. Leider spielte der Himmel nicht mit, er war wolkenverhangen, kein postkartenblau. Trotzdem alles sehr eindrucksvoll.

Gegen Mittag stiegen wir frierend ins Auto und machten uns auf dem Heimweg, mit einem kurzen Stopp im „Cafe Bagdad“. Knappe 4 Stunden später saßen wir im Büro der Agentur in Damaskus und diskutierten über Verbesserungsmöglichkeiten. Allgemein gibt es zu wenig Hotels im Viersternebereich, das bemängelt jeder Veranstalter, aber die wachsen eben leider nicht von alleine. Gut für die Hotels, schlecht für die Kunden.

8. Tag:
Am Vorabend waren wir in einem sehr schönen Restaurant, und ich hatte den Ehrgeiz sämtliche Mezzeteller leer zu essen (Hummus, Babaganoush, gebratene Leber, gefüllte Weinblätter, frischer Salat, Lammtartar, Käsetaschen, etc.), mit dem Ergebnis, dass mein Magen seinen Dienst einstellt. Nachts war es mir noch zu kalt um aufs Klo zu gehen, aber morgens ließ es sich nicht vermeiden. Das kommt davon wenn man den Hals nicht voll genug bekommt.

Jedenfalls lag ich etwas malad im Auto, als wir Richtung jordanische Grenze fuhren, nach Bosra, eine Stadt aus schwarzem Basalt und berühmt für sein gewaltiges Theater. Inmitten der antiken Stadt lebten die Menschen, die alten Säulen teilweise zu Tischen oder Stühlen umfunktioniert, in Häusern erbaut aus den alten Steinen. Wir schlenderten durch die Straßen, die Sonne wärmte angenehm, und da ich den ganzen Tag weder Essen noch Trinken zu mir nahm ließ mich auch mein Magen in Ruhe. Wir trafen sogar Touristen, eine große türkische Gruppe. Auch diese Stadt muss riesig gewesen sein, wenn man von den Ausmaßen des Bads ausgeht. Es  gab kaltes und warmes Wasser, Ruheräume, Bibliothek, Fußbodenheizung und ähnlichen Schnickschnack. Die Zisterne war so deutlich größer als ein üblicher Dorfteich.

Das Theater, angeblich das größte dieser Art im nahen Osten, war natürlich beeindruckend. Es war einst als Burg missbraucht und für die Soldaten aufgefüllt worden, damit die nicht ständig die Stufen rauf und runter rennen mussten – so überstand es gut erhalten die Jahrhunderte.

Nach der Besichtigung saßen wir in der Sonne, ich schlief direkt im sitzen ein, während Fahrer und Reiseleiter zu Mittag aßen. Anschließend ging es die 120 Kilometer nach Damaskus zurück. Den Rest des Nachmittags (und damit der Reise) spazierten wir nochmals durch die Altstadt von Damaskus, vom Bab Touma zur Moschee, durch den Souq (diesmal ohne Eis), und über die gerade Straße wieder zurück.

9.Tag:
Morgens früh fuhren wir, nochmals mit Hassan und Adib, zum Flughafen – die 3000 Pfund Ausreisesteuer hatten wir parat, verabschiedeten uns von unseren beiden Begleitern und flogen über Amman nach Frankfurt. Der Flieger hatte eine gute halbe Stunde Verspätung, aber glücklicherweise wartete die Deutsche Bahn auf uns und legte exakt die benötigten 12 Minuten Verspätung hin, so dass wir fast auf die Minute genau zwei Stunden nach Landung bereits wieder zuhause in Karlsruhe waren. Eine schöne Reise, ein tolles Land, mit unglaublich reicher Geschichte und enorm leckeren Essen (wenn man nicht zu viel isst).

One Comment

  • Erwin Vierthaler

    Die Reiseberichte von Herrn Stefan Simonis lese ich immer mit großer Begeisterung,egal ob er von Usbekistan, Mali oder Syrien erzählt.Er schreibt so interessant und lebendig, quasi „mitreisend“! Ich freue mich schon auf die nächste „Lese“-Reise mit ihm.
    Erwin Vierthaler