Reisen in Deutschland

Rügen – Lüneburger Heide – Chiemgau

Sie gehören zu den romantischsten Plätzen Deutschlands: Im Norden lockt die Insel Rügen mit spektakulären Kreidefelsen und schöner Bäderarchitektur. Im Süden, im Chiemgau, trifft man auf prächtige Barockkirchen und die Schlösser von Bayerns Märchenkönig Ludwig II. Und die Lüneburger Heide hat neben idyllischer Landschaft stolze Städte und stille Klöster zu bieten.

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Rügen: Von Freibeutern, Romantikern und Sommerfrischlern

„Es ist nicht möglich, einen einfacheren und erhabeneren Anblick zu finden“, schwärmte Wilhelm von Humboldt. Rügens Kreideküste entzückte nicht nur die Romantiker. Wer hat nicht die Bilder Caspar David Friedrichs im Kopf, der 1818 die schneeweißen Felsen über leuchtend blauem Wasser malte? Vermutlich stand der bizarre Wissower Klinken Modell, der vor einigen Jahren ins Meer stürzte. Abbrüche geschehen immer wieder – doch Rügens Hauptattraktion tut das keinen Abbruch! Fakt ist: Die vor mehr als 70 Mio. Jahren gewachsene, von Wind und Wetter geformte Küste, sah vor 200 Jahren definitiv anders aus. Den schönsten Blick genießt man heute vom Königsstuhl, wo die Felsen 117 Meter steil ins Meer abfallen und Wanderwege das Hochufer erschließen.

Doch die Kreideküste ist nicht alles. Fast 1000 Quadratkilometer misst Deutschlands größte Insel. Sandstrände und Steilküste, kleine Buchten und Landzungen, kilometerlange Alleen und Buchenwälder ergeben ein vielgestaltiges Bild. Das gilt auch für die Architektur: Weiße Häuser im schönsten Bäderstil prägen das Städtchen Sassnitz. Der Fischereihafen war einmal der bedeutendste der DDR. Noch immer gibt es köstlichen Fisch, frisch aus der Räuchertonne! Nirgends lässt sich die Sommerfrische-Atmosphäre vergangener Zeiten besser erleben als im Seebad Binz: Hier flanierten sie unter den Linden der Strandpromenade und wagten sich auf der Seebrücke wenigstens ein Stückchen aufs Meer hinaus. Oh Wunder! Aus ehemaligen Plattenbauten ist sehenswerte, moderne Bäderarchitektur geworden – eine exquisite Mischung. Dann der Kontrast: der Koloss Prora, das kasernenartige Nazibad, geplant für 20.000 Feriengäste, dessen Zukunft ungewiss ist.

Eine Götterfestung, die slawische Jaromarsburg, beherrschte einst Kap Arkona. Heute stehen zwei Leuchttürme da, der ältere stammt von Karl Friedrich Schinkel und ist heute beliebt für Trauungen. Hiddensee, die winzige Nachbarinsel, rückte zu Beginn des 20. Jhs. ins Rampenlicht, als Künstler und Nobelpreisträger wie Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Albert Einstein, Ringelnatz und Brecht hier Urlaub machten. Der wohl berühmteste Sohn Rügens aber ist der legendäre Freibeuter Klaus Störtebeker. Jeden Sommer wird er mit Festspielen geehrt: Auf der Naturbühne von Ralswiek besteht er Abenteuer im Kampf gegen die Pfeffersäcke der Hanseflotte. 150 Mitwirkende, halsbrecherische Stunts, Pferde, donnernde Kanonen und Seegefechte sorgen für Spannung. Unter dem Motto „Gottes Freund und aller Welt Feind“, dem Schlachtruf der Ostseepiraten, wird in dieser Saison erzählt, wie alles begann.

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Lüneburger Heide: Am Anfang war das Salz

„Es ist so still; die Heide liegt / Im warmen Mittagssonnenstrahle, / Ein rosenroter Schimmer fliegt / Um ihre alten Gräbermale; / Die Kräuter blühn; der Heideduft / Steigt in die blaue Sommerluft.“

So bedichtete Theodor Storm die blühende Heide, so idyllisch und erhaben. Einige Zeit vorher noch haben die Menschen das weite, gewellte Land als unheimlich, ja bedrohlich empfunden. Alles eine Frage des Blickwinkels! Eigentlich ist die Heide auch keine natürliche Landschaftsform, sondern vom Menschen gemacht. Und da wären wir beim Salz, das die Geschichte dieses Landstichs stärker als alles andere geprägt hat.

Wie lang sind frischer Hering oder Fleisch genießbar? Über Jahrhunderte war Salz das einzige bekannte Konservierungsmittel für verderbliche Lebensmittel. Die Solequellen machten Lüneburg zum bedeutenden Salzmarkt der Hanse. In 54 Hütten wurde die Sole in Salzpfannen gesiedet, mit 500 Beschäftigten und einer Jahresproduktion von bis zu 30.000 Tonnen war die Saline der größte Industriebetrieb des Mittelalters in Deutschland. Das „weiße Gold“ machte Lüneburg reich. Die wunderbar erhaltene Altstadt mit ihrem stattlichen Rathaus, den gotischen Kirchen und schönen Giebelhäusern zeugt vom einstigen Boom. Das Umland aber wurde für den enormen Brennholzverbrauch gerodet, bis kein Baum mehr stand.

Welliges Heideland, kleine Moore, Wacholder, hin und wieder Findlinge, Schafställe, Bienenzuchten. Wenn die Heide im Spätsommer in voller Blüte steht, ist die beste Zeit für eine Landpartie! Ob per pedes oder in der nostalgischen Kutsche – ein „Muss“ ist der Wilseder Berg, die mit fast 170 m höchste Erhebung Norddeutschlands. Bis nach Hamburg kann man bei klarer Sicht sehen. Carl Friedrich Gauß setzte hier einen wichtigen Fixpunkt seiner Landesvermessung. Ein symbolischer Ort auch für die Rettung der Heide: Anfang des 20. Jh. kaufte der legendäre Heidepastor Wilhelm Bode den Berg und setzte sich für den Erhalt der Landschaft ein, die mit Wochenendhäusern für Städter bebaut werden sollte. Der Beginn des ältesten und größten deutschen Naturschutzparks. Heute sind es nicht zuletzt die Heidschnucken, die unermüdlich für den Erhalt der Heide sorgen …

Orte der Stille sind die Heideklöster im Stil der norddeutschen Backsteingotik, die seit der Reformation als Damenstift weiterexistierten. Kaum 10 km von der Welfenstadt Celle entfernt liegt das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Wienhausen. Die hübschen Staffelgiebel bilden den Auftakt zur einer umfangreichen Anlage, Höhepunkt ist die Kirche mit dem unglaublich prächtig ausgemalten hochgotischen Nonnenchor. Kunstschätze und Kurioses … Die Bildteppiche, im 13.-15. Jh. mit Wolle auf Leinen gestickt, sind berühmt und erzählen auch so weltliche Geschichten wie die von Tristan und Isolde. Und manchmal lohnt sich ein Blick unter die Kirchenbank: Unter den Holzdielen des Chorgestühls fand man, was so alles durch die Ritzen gefallen war: Rückenkratzer, Amulette, Pilgerzeichen und andere Dinge des Alltagslebens, darunter die ältesten erhaltenen Brillen der Welt.

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Der Chiemgau: Bayern wie aus dem Bilderbuch

Der See, der Wald, saftig grünes Hügelland und die Alpenkulisse sind ständige Begleiter auf dieser Bayernreise. Unbedingt sehenswert: die Inseln im Chiemsee.

Nie dürfe ein Fremder seine Schlösser betreten, vielmehr sollten sie nach seinem Ableben zerstört werden, wünschte sich Ludwig II. Die Nachlassverwaltung hielt sich – glücklicherweise – nicht daran, öffnete die Bauten schon wenige Wochen nach dem Tod des Königs 1886 für das neugierige Publikum. 50 Millionen Menschen sind seitdem gekommen. Alle Schlösser sind steinerne Zeugnisse einer idealen Gegenwelt, in die sich der menschenscheue König flüchtete. Die Herreninsel hatte er 1873 erworben. Nicht mittelalterliche Ritterträume galt es hier zu verwirklichen, sondern ein bayerisches Versailles zu Ehren Ludwigs XIV. von Frankreich, den er grenzenlos verehrte. Die Vollendung des Schlosses Herrenchiemsee hat er nicht mehr erlebt – aber doch fast. Es ist ein reduziertes Versailles: Die zentralen Räume des Mitteltraktes mit Paradeschlafzimmer und Spiegelgalerie genügten ihm, sich in die Rolle des Sonnenkönigs einzufinden. Auch die Hauptachse des großen Gartens bildet das Vorbild detailliert nach mit Bassins, Wasserspielen und dem „Grand Canal“, an dessen Ende die Boote anlegen konnten.

Beschaulicher geht es auf der Fraueninsel mit der uralten Benediktinerinnenabtei Frauenwörth zu, die man in nur 20 Minuten zu Fuß umrunden kann. Und was noch? Vom Wendelstein ins bayerische Alpenvorland gucken. Im barockem Kloster Seeon auf Mozarts Spuren wandeln. Die mächtigen Festungen von Kufstein und Burghausen erklimmen, die Fuggerstadt Augsburg und die schwarze Madonna in Altötting besuchen.