Musikalisches Leipzig

Mädlerpassage
Zu Ostern nach Leipzig: Dorthin sollte mein Mann seinen „Hirsch-Bus“ in diesem Jahr steuern. Unser 5-jähriger Sohn Jan und ich durften uns der Reisegruppe anschließen – und erlebten eine schöne Reise mit viel Musik und noch mehr Schnee!

Nach durchaus sonniger Anfahrt lässt Reiseleiter Helmut Kranz im winzigen Lützen einen Stopp einlegen: Hier fiel 1632 der Schwedenkönig Gustav Adolf, heute gibt es eine Gedenkstätte. In schönstem Sächsisch bekommen wir den Kampf gegen Wallenstein – „beim Netto-Markt stand Pappenheimer mit 3000 Habsburger Reitern“ – anschaulich geschildert und erfahren, auf welchem Platz in der hübschen Kapelle Königin Silvia schon gesessen hat.

In Leipzig angekommen staunt Jan über „Schrotthäuser“ und die endlosen Plattenbauten der Außenbezirke. Unser Hotel liegt gleich um die Ecke des Augustusplatzes im ehemaligen Verlagsviertel. Auch wenn es heute im Brockhaus-Quartier keinen großen Verlag mehr gibt – die Deutsche Bücherei ist nicht weit, wo jedes jemals in Deutschland erschiene Druckwerk lagert. Das Design-Hotel überrascht mit eigenwilligem Kitschdekor: leuchtende Elchköpfe, Königsthrone, Discokugeln und Monitore mit prasselndem Kaminfeuer. Das Zimmer ist riesig und Jan probiert gleich, ob man auf dem Bett auch gut hüpfen kann. Juhu: Es gibt auch ein Schwimmbad!

Doch erst steht noch Kultur auf dem Programm: ein Besuch im nahen Schumann-Haus. In der eleganten Belle Etage wohnte das Künstlerpaar Robert Schumann und Clara Wieck 4 Jahre lang. Gebannt lauschen wir im Salon der spannenden und tragischen Geschichte einer aufregenden Beziehung und natürlich der wunderbaren Klaviermusik – eine tolle kleine Privatvorstellung!

Leipzig im Schnee

Der Karfreitag beginnt mit 8 cm Neuschnee! Wir nehmen erstmal den Bus. Die Stadt der Messen und der Musik hat seit jeher Kaufleute und Künstler angelockt: In Gohlis sehen wir das Haus, in dem Schiller am Don Carlos schrieb, und das Gohliser Schlösschen, Sommerpalais eines Kaufmanns und edler Rahmen für exklusive Konzerte. Dann geht’s zum Völkerschlachtdenkmal. Düster ragt der gigantische Steinberg aus dem Schnee und erinnert an Napoleons Niederlage. 26.000 Granitblöcke wurden hier verbaut. Derzeit ist die Ruhmeshalle geschlossen, denn zum 200. Jahrestag der Völkerschlacht im Oktober wird alles hergerichtet.schnee in leipzig

Die nächste Etappe bestreitet die Hirsch-Gruppe zu Fuß: Die Altstadt ist nicht größer als 1 Quadratkilometer und beginnt gleich hinter dem Augustusplatz, den das Neue Gewandhaus, das Opernhaus und die zackige Glasfassade des modernen Unigebäudes flankieren. Von hier sind es nur ein paar Schritte zur Nikolaikirche, berühmt seit den Montagsdemonstrationen gegen das SED-Regime, deren hohes Gewölbe von Palmwedelsäulen getragen wird. Auf dem Naschmarkt mit seinen barocken Bürgerhäusern dreht Goethe den antiken Göttern auf der hübschen Alten Börse den Rücken zu. Wenig später trifft man in der Mädlerpassage auf seine Figuren: Faust, Mephisto und die fröhlichen Zecher weisen den Weg in Auerbachs Keller. Auf dem Marktplatz erinnert heute ein Mittelaltermarkt mit allerlei Spektakel an die Ostermessen früherer Zeiten. Endpunkt ist die Thomaskirche, Heimat des weltbekannten, 800 Jahre alten Thomanerchors, für den Johann Sebastian Bach über 200 Kantaten schrieb.

Wir entscheiden uns allerdings für einen Familienausflug zum berühmten Leipziger Zoo. Viele Tiere ziehen es bei der eisigen Witterung vor, im Warmen zu bleiben. Wir auch. Lang beobachten wir die Affen im schicken Affenhaus und begeben uns dann in die warmen Gefilde des riesigen Tropenhauses, in dem man eine Flussfahrt durch die Erdgeschichte machen und auf Hängebrücken über den Dschungel spazieren kann. Auch den derzeitigen Star des Zoos, das Tapir-Baby, sehen wir. Zurück in der Kälte unterbrechen wir unseren Fußmarsch im Leipziger Bahnhof, dem größten Deutschlands, und stärken uns in dieser modernen Einkaufs- und Fressmeile, wo auch am Karfreitag die Läden geöffnet sind. Zu Jans Freude ist auch ein großer Osterhase unterwegs.
Tropenhaus Leipziger Zoo
Am Abend lauscht die Reisegruppe den berühmten Thomanern bei der Johannespassion. Für mich gab’s keine Karten mehr, so nutzen wir den Pool und picknicken im Zimmer bei österlichen „Sandalenfilmen“.

Händel in Halle

Ausflug nach Halle – leider ist’s immer noch eisig. Der Blick in die alles überragende Marktkirche lohnt sich wegen der fantastischen Innenausstattung: Netzgewölbe, herrliche Bildwerke, die prächtige Kanzel und eine von Bach persönlich eingeweihte Orgel. Der Jesus am Passionskreuz hat echtes Haar, was den kleinen Jan besonders beeindruckt. Im Händel-Haus erfahren wir allerlei über den weitgereisten Europäer Georg Friedrich Händel und können im kleinen virtuellen Theater Kurzfassungen seiner barocken Opern und Oratorien anschauen. Einige stürmen noch die Moritzburg mit ihren tollen Sammlungen moderner Kunst, insbesondere Brücke-Maler. Wir stärken uns mit Markt-Bratwurst und wärmen uns im Café auf.
Halle, Marktplatz

Am Abend sind wir zu Gast im Neuen Gewandhaus. Der „unmusikalische“ Name erklärt sich durch das ehemalige Lagerhaus für Tuche und Wollwaren, so die von Kaufleuten ins Leben gerufene Konzerttradition einst begann, die von großen Musikern wie Felix Mendelssohn-Bartholdy und Kurt Masur geprägt wurde. Heute leitet Michael Schönheit das Orgelkonzert zum Osterfest. Die riesige Schuke-Orgel mit 89 Registern und 6600 Pfeifen ist in der Tat beeindruckend. Laut der Inschrift am Orgelprospekt, „Res severa est verum gaudium“, ist „wahre Freude eine ernste Sache“ – und das trifft heute abend allemal zu, denn mit Bachs Orgelwerken und Buxtehudes Passionskantaten wird es ganz schön besinnlich.

Matinée bei Mendelssohns

Am Ostersonntag haben sich lauter kleine Schokohäschen in die Hotelflure geschlichen! Wir nehmen Abschied von Leipzig mit einem Besuch im Mendelssohn-Haus, wo Felix Mendelssohn-Bartholdy seine letzten beiden Lebensjahre verbrachte, bevor er nur 38-jährig starb. Originale Biedermeier-Möbel, eine tolle Ausstellung und ein lebhafter Vortrag geben Einblicke ins Familienleben des regen Komponisten und Gewandhaus-Kapellmeisters, der auf seinen Italienreisen fantastische Aquarelle malte, mit der Edition der Bachschen Werke eine Bach-Renaissance einleitete, als erster Dirigent einen Taktstock durchsetzte und das Leipziger Konservatorium gründete (heute Hochschule für Musik und Theater), wo später Edvard Grieg lernte. Ganz in der Tradition der Sonntagsmusiken der Familie Mendelssohn lauschen wir im Gartenhaus jungen Musikerinnen, die Beethoven und Schubert spielen, und kosten „Mendelssohn-Wein“, der allerdings aus der Pfalz kommt. Der gibt die Richtung der Heimreise vor, die wir ganz erfüllt von schöner Musik, antreten.