Marrakesch – märchenhaft, magisch, mittendrin!

Der Himmel über Marrakesch

Ich gebe es zu: Von den Schlangen und ihren Beschwörern habe ich lieber Abstand gehalten. Ein Schritt zu viel, schon hat man so ein züngelndes Tier um den Hals! Gar nicht charmant von den „charmeurs de serpent“ auf dem Platz Djemaa el Fna. Ihre näselnden Flöten, die aufgeregten Rhythmen der Trommeln und eisernen Klappern der Musikanten, dazu die Rufe der Muezzins von den umliegenden Minaretten klingen mir noch immer im Ohr. Hier schlägt das Herz Marrakeschs. Dreieinhalb Flugstunden haben uns in eine andere Welt entführt. Für mich die erste Flugreise mit Hirsch als ganz offizieller Reisegast …

Vor zwei Jahren war mein Mann schon bei „Marrakesch exklusiv“ dabei – nun bin ich dran. Ohne Familie, dafür mit einer netten kleinen Hirsch-Gruppe aus 15 unternehmungslustigen Reisegästen. Und natürlich mit Christoph Seemann, Reiseleiter und Freund, der dieses spezielle Programm ausgetüftelt hat.

1. Tag: Verborgenes Idyll hinter hohen Mauern – die Riads

Aufgebrochen im nasskalten Winter landen wir im 28 Grad warmen Marokko! Am Flughafen geht es erfreulich flott – da steht auch schon Christoph Seemann und nimmt uns in Empfang. Busfahrer Hassan fährt uns zuerst zu einem hübschen Park, neu gestaltet für die Weltklimakonferenz 2016. Marokkanische Familien auf Sonntagsausflug, Kinder springen herum, vollverschleierte Frauen machen Selfies (warum nur?), Touchscreens informieren über die Umweltstiftung des Königs. Beim Spaziergang unter Palmen können wir uns ein wenig akklimatisieren. Dann erkunden wir mit dem Bus die von den Franzosen angelegte Ville Nouvelle.

In der christlichen Kirche „des Saints-Martyrs“ muten die Fenster arabisch an.

Kilometerlange Prachtstraßen, Art-Déco-Fassaden, Luxushotels und Einkaufszentren prägen den Stadtteil Guéliz. Eine Million Einwohner hat die Stadt, die uns hier ihr moderne Gesicht zeigt. Es herrscht ein reger Verkehr von Linienbussen, zahllosen Taxis, Kutschen – und ganzen Schwärmen knatternder Mopeds.

Das Théâtre Royal erinnert an die Zeit des französischen Protektorats.
Hunderte „calèches“ bieten Fahrdienste an.

Fast 1000 Jahre alt ist die Königsstadt Marrakesch, eine Gründung der Berber inmitten einer Palmenoase. Weithin sichtbar: ihr Wahrzeichen, das Minarett der Koutoubia-Moschee aus dem 12. Jahrhundert, deren Name auf die früher hier ansässigen Buchhändler zurückgeht.

Die Koutoubia-Moschee, Almohaden-Monument aus Marokkos mächtigster Zeit

Hier endet die Neustadt und hinter der historischen Festungsmauer aus gestampftem Lehm beginnt die weitläufige Medina.

Erste Lektion in orientalischer Gelassenheit: An einer verkehrsreichen Kreuzung wird unser Gepäck ausgeladen. Männer, die Transportdienste anbieten, warten hier auf Kundschaft, und sogleich finden sich zwei, die ganze Berge von Koffern auf ihre alten Handkarren laden. Alles ganz in Ruhe. Von uns „Hirschen“ wacht jeder darüber, dass sein Koffer auch ja dabei ist …

Dann geht’s zu Fuß ins Gewimmel – immer den Karren hinterher. Über den großen Platz, auf dem schon die Flöten und Trommeln erklingen, hinein in schmale, überdachte Altstadtgassen. Zwischen den Auslagen der Läden herrscht reges Hin und Her von Fußgängern, Eselskarren, und sich durchschlängelnden Mopeds.

Dann zweigt unsere kleine Karawane ab in eine ruhige Seitengasse: Hier liegt unser Riad-Hotel „Sherazade“.

Von außen unscheinbar – hohe, rote Mauern, vergitterte Fensterchen – doch innen eine Überraschung: „Riad“ ist das arabische Wort für Garten, lernen wir. Und da stehen wir in dem kleinen Innenhof, auf den alle Zimmer ausgerichtet sind: gemusterte Fliesen, Palmen und Blumen, ein Springbrunnen plätschert. Die nette deutsch-marokkanische Familie, die dieses typische Altstadthaus vor einigen Jahren restauriert hat, heißt uns mit einem Minztee willkommen.

Ganz oben die Dachterrasse mit dem Restaurant, wo wir abends eine köstliche Tajine mit Fleischklößchen und Gemüse serviert bekommen

Unsere zweite Lektion in orientalischer Gelassenheit: Wie viel Uhr ist es eigentlich? Die Verwirrung ist groß, denn sämtliche Smartphones haben sich automatisch verstellt – doch die Marokkaner richten sich offenbar nach unserer mitteleuropäischen Zeit. „Was bedeutet schon die Uhrzeit“, so Christoph, „Inchallah!“

2. Tag: Buntes Treiben und verfallene Pracht – unterwegs in der Medina („Alles bio!“)

Und täglich grüßt der Muezzin. Tatsächlich braucht man hier keine Uhr, denn gleich neben unserem Hotel befindet sich eine kleine Moschee, und morgens um 6.30 Uhr ertönt zuverlässig, lang und durchdringend der Gebetsruf.

Blick von der Dachterrasse auf das benachbarte Minarett

Meine Frühstücksentdeckung: Oranges à la canelle, mit Zimt bestreute Orangenscheiben von der hauseigenen Plantage! Dann geht es zu Fuß los in die Medina. Christoph hat heute Verstärkung durch den marokkanischen Guide Abdelkrim, der sehr umsichtig darauf achtet, dass in den engen Gassen keiner von uns verloren geht – echt beruhigend! Toll, wenn man so mittendrin wohnt! Man biegt nur um die Ecke – und schon gibt es was zu sehen: Viele kleine Läden haben schon geöffnet. In der winzigen Wäscherei wird gebügelt, halbe Schafe hängen über der Auslage des Metzgers, der Wagen der Müllabfuhr wird von einem Eselchen gezogen. Es gibt ein kleines Hammam und gleich daneben die Händler, die das Badezubehör anbieten: Berge von schwarzer Olivenseife, Tonsteine und Handschuhe fürs Peeling, allerlei Düfte, haufenweise getrocknete Blüten.

Unser Kulturprogramm beginnt mit dem El Badi-Palast, einer riesigen Ruine. Wir sind fast allein hier und spazieren durch den Innenhof mit seinem Wasserreservoir in der Mitte, darum herum blühen in „versunkene Gärten“ duftende Orangenbäume.

Stein gewordene Symmetrie im El Badi-Palast
Welch ein Duft! Orangenbäume in den „versunkenen Gärten“

Kleine Zeitreise: Diesen Palast hatte der Saadier-Herrscher Ahmed El Mansour errichten lassen, der Marrakesch 1554 zur Hauptstadt machte. Gold- und Sklavenhandel brachten eine Blütezeit. Im 17. Jahrhundert dann löschte der Alaouiten-Sultan Moulay Ismail alle Erinnerungen an die Vorgänger-Dynastie aus: Die Anlage wurde geschleift, die Grabmonumente der Saadier eingemauert für Jahrhunderte. Nur Storchenkolonien bewohnen heute die Palastmauern.

Christoph Seemann führt uns in die marokkanische Geschichte ein
Was klappert denn da? Storchennester aus Palastmauern

Zeit für eine Erfrischungspause: In der Kosybar an der Place des Ferblantiers gibt es „café nouss-nouss“ (halb und halb) und einen schönen Ausblick über die Dächer.

Und weiter geht es durch die Altstadt: Wir bewundern die zu spitzen, hohen Kegeln aufgetürmten Gewürze und staunen darüber, was man aus alten Autoreifen machen kann: Gefäße, Schuhsohlen, Bilderrahmen und fantasievollen Schmuck.

E-Mobil

Wir sind in der Mellah, im ärmsten Teil der Medina, dem alten jüdischen Viertel. Die Länden werden immer kleiner. Händler breiten ihre Ware auf Tüchern auf dem Boden aus: Gemüse, Gebrauchtwaren, einzelne Schuhe (?). Ein unscheinbarer Eingang in einer Seitengasse führt in die Synagoge, wo das jüdische Leben dokumentiert ist. Sephardische Juden flohen im 15. Jh. vor der Reconquista aus Spanien nach Marokko. Heute hat die kleine Gemeinde nur noch 160 Mitglieder.

Orientalische Pracht erwartet uns im Dar Si Said, dem Wesirspalast aus dem 19. Jahrhundert. Wir sehen Empfangsräume, immer aufwändiger ausgeschmückte Privatgemächer, je weiter man vordringt, lauschige Innenhöfe, außerdem eine Sammlung von Teppichen und marokkanischer Volkskunst.

So viele Eindrücke wollen erstmal verarbeitet werden: Nun ist Freizeit angesagt.

Zu Mittag gönne ich mir eine kleine Tajine im Café Argana

Am Nachmittag werden wir von Hotelchef Achmed und dem Koch Hassan auf der Dachterrasse erwartet: Zu einer Einführung ins marokkanische Kochen – anhand der Zubereitung unseres Abendessens von heute. Es gibt Hühnchen mit eingelegte Zitronen, Gemüsetajine, Salate, Kürbis-Dessert.

Auf der „Versammlung der Toten“ pulsiert das Leben!

Die Zeit bis zum Essen vertreiben wir uns mit einem Spaziergang auf dem riesigen Marktplatz Djemaa el Fna, wo das allabendliche Spektakel so langsam Fahrt aufnimmt. Eine Schnittstelle des Handels und der Kulturen war dieser Ort von alters her. Hier kamen die Karawanen aus der Sahara-Region an. Der Name erinnert daran, dass man hier die Köpfe der Enthaupteten aufspießte. Heute wird Orangensaft gepresst, wo einst Köpfe rollten.

Schlangenbeschwörer, Affendresseure, Musiker, Tänzer und Geschichtenerzähler präsentieren sich. Das Treiben auf der Djemaa el Fna wurde von der UNESCO zum immateriellen Menschheitserbe erklärt. Um die Stehgreifschauspieler drängen sich die Schaulustigen. Einer hat sich alte Flip-Flops als Eselsohren an den Kopf gebunden und kassiert Schläge. Ein Zahnausreißer hockt hinter einem Tablett voller Beweisstücke seiner Kunst (und gebrauchten Gebissen „to go“). Mir fällt ein, dass heute Rosenmontag ist … Natürlich passt man sich auch den Touristen an: „Alles bio!“ rufen die Saftverkäufer uns auf Deutsch hinterher! Mehrere Reihen von mobilen Garküchen sind inzwischen aufgebaut. Was brutzelt da? Schafsköpfe? Vor den Henna-Tätowiererinnen muss man sich hüten – eh man sich’s versieht, ist die Hand bemalt. Wir lernen: Nirgends zu lange hinschauen, sonst hat man die Preisverhandlung schon eröffnet. Und ich bin leider so unbegabt im Handeln …

„Alles bio!“ – und sooo lecker!

3. Tag: Anima und Hoher Atlas

Heute nehmen wir den Bus und fahren durch die Außenbezirke Marrakeschs, wo Ferienclubs und Appartementanlagen um sich greifen, gen Süden. Und nun sehen wir sie endlich: die Schneegipfel des Hohen Atlas.

Unser erstes Ziel ist ein fantastischer Garten: Vor gerade zwei Jahren hat André Heller im Süden der Stadt Anima eröffnet. Ein Ort voller Fantasie und Überraschungen, als Dankeschön an den afrikanischen Kontinent. Dass das hier 2010 noch völliges Brachland ist kaum zu glauben! Wir durchstreifen jeder für sich diese verwunschene Traumwelt. Christoph hat uns auf der Herfahrt perfekt eingestimmt. „Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten“ – dieses Zitat des indischen Pilosophen Tagore sollte man sich, laut Heller, zu Herzen nehmen: Unsere dritte Lektion in orientalischer Gelassenheit! Auf verschlungenen Pfaden spazieren wir vom „Traum“ zur „Freundschaft“ und zur „Freude“, suchen die schönsten Fotomotive, trinken café nouss-nouss unter bunten Schirmen (nach der kalten Nacht ist es heiß geworden!). Und genießen, sehr weise, die Ruhe.

Nach diesem paradiesischen Auftakt fahren wir hinein in die Bergwelt des Atlas. Das tief eingeschnittene Ourika-Tal zieht bis zum Toubkal-Massiv, dem höchsten Berg Nordafrikas. In der Nähe gibt es sogar Skigebiete – doch es hat wenig geschneit diesen Winter; schlecht für dieses wichtige Trinkwasserreservoir. Im Dorf Tafza besuchen wir das Musée Berbère in einem traditionellen Lehmhaus und erregen bei den Dorfkindern einiges Aufsehen! Wir lernen, die Symbolsprache der Berberteppiche zu deuten: Ganze Geschichten erzählen die geometrischen Muster. Auch historische Fotografien und der  üppige Schmuck der Berberfrauen mit dicken Ketten, Fibeln und Armringen erinnern an alte Traditionen. Sehr einfach leben die Menschen hier auch heute. Doch Strom gibt es seit einigen Jahren – und kein Bauernhaus ohne Satellitenschüssel.

Aus Lehm gebaut: Berbermuseum in Tafza

Die Täler hier sind auch bei den „Marrakschi“ ein beliebtes Ausflugsziel – ein besonders schönes Ausflugslokal hat Christoph ausfindig gemacht, wo wir zu einem fantastischen 4-Gänge-Menü erwartet werden. Das Couscous mit zartem Rindfleisch und Rosinen ist ein Gedicht!

Am Nachmittag halten wir zu einer kleinen Tal-Wanderung mit Dromedaren – tatsächlich finden sich Freiwillige, die sich aufzusteigen trauen. Und unser Reiseleiter bekommt einen Bonus-Ritt auf einem Berber-Pferd. Die eifrigen fliegenden Händler, die uns so freundlich in Deutsch mit „Hallo, Angela! Guck mal, Angela!“ begrüßt haben (Angela Merkel ist auch hier bekannt!), müssen aber leer ausgehen.

Auf der Rückfahrt in die Stadt liest Christoph ein Märchen der Geschichtenerzähler von der Djemaa el Fna vor. Nach unserem Berber-ausflug fällt es gar nicht schwer, sich in diese fremde Welt hineinzuversezten. Diesen Tag kann jeder ausklingen lassen, wie er will.

4. Tag: Kunsthandwerk gestern und heute: Souks und Saadier

Das Vormittagsprogramm ist optional, und so starten wir nur zu acht. Beinahe hätte mich ein Moped übel erwischt, als ich schnell zum Briefkasten rennen will – die heutige Lektion in orientalischer Gelassenheit ist dieselbe wie gestern: „Narren hasten, Kluge warten!…“ An einer großen Taxi- und Ferntaxi-Abfahrtsstelle herrscht reger Betrieb, manche Taxifahrer frühstücken Suppe, andere waschen die Autoscheiben mit der Hand. Wir kommen ins frisch restaurierte Kasbah-Viertel, deren hübsche Moschee zur Weltklimakonferenz 2016 mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet wurde.

Frisch restauriert: Kasbah-Moschee und umgebende Plätze

Der Zugang zu den Saadier-Gräbern erfolgt durch einen Garten. Von außen ahnt man noch nichts von den Wunderwerken aus dem 16. Jahrhundert, die bedeutendste historische Sehenswürdigkeit unserer Reise. Erst 1917 haben die Franzosen die Mausoleen, die Jahrhundertelang hinter hohen Mauern verschlossen war, beinahe unversehrt wiederentdeckt. Nur 1,5 Minuten darf man in die Grabkammer des Sultans Ahmed el Mansour hineinschauen, der von seinen Kriegszügen mit märchenhaftem Reichtum zurückgekehrt war. Zum Glück ist die Schlange kurz. Welche Pracht! Säulen und Hufeisenbögen aus Carrara-Marmor, Kachel-Mosaiken, Schriftbänder, Stuck und Zedernholzschnitzereien – die Ornamente versetzen uns in die Welt der Sultane und Konkubinen. Die Grabkammern seiner Mutter und Lieblingsfrauen sind auch hier.

Anschließend gehen wir gemeinsam das begehrte Arganöl einkaufen, in einer kleinen Marktgasse mit lauter Läden für Fett, Schmalz, Butter und Öle, die wir ohne Christoph niemals gefunden hätten. Tatsächlich ist es höchste Zeit, an Mitbringsel und Souvenirs zu denken! Zum Glück ist nun Freizeit und ich stürze mich ins Shopping-Vergnügen: kleine Teegläser, holzgeschnitzte Dromedare, hübsche Glasfläschchen für Gewürze (mit lustigen Quasten an den verzierten Deckeln – Bommel und Pompons sind hier überhaupt sehr wichtig!). Und ganz gewiss mache ich sämtliche Verkäufer glücklich, da ich so schlecht im Handeln bin. Aber egal. 

Mittags treffen wir uns alle wieder – auch Abdelkrim ist wieder mit dabei, unverzichtbar für unseren Spaziergang durch die Souks. Doch zuerst führt uns Christoph noch an einen besonderen Ort: Ein Haus, das 40 Jahre lang dem deutschen Maler Geerdtz gehörte und heute ein winziges Riad-Hotel mit Teestube ist. Im hübschen, überdachten Innenhof sitzen wir bei Minztee und Kipferl (gleich nebenan ist das österreischische Konsulat!) und lauschen „Den Stimmen von Marrakesch“ von Elias Canetti: Christoph liest vor. Wieder so ein schöner Moment des Innehaltens, bevor es zurück ins Gewusel geht.

So niedrig sind manche Eingangstüren! Wir treten demütig in die Teestube ein.

Ale nächstes steuern wir den Pascha-Palast an. Hier residierte der mit den Franzosen verbündete Berberfürst El Glaoui bis zur Unabhängigkeit 1956. Schön hatte er’s!

Doch nun genug der Ruhe: Schon von Weitem hören wir die Hammerschläge, die die Souks ankündigen. Schmiede, Schreiner, Färber, Schuhmacher arbeiten hier. Im einem für „Nicht-Eingeweihte“ äußerst verwirrenden Gassenlabyrinth werden in winzigen, fensterlosen Werkstätten Kunsthandwerk und viele Produkte des täglichen Lebens ganz traditionell in Handarbeit hergestellt: In einer Gasse gibt es nur Türschlösser und Gitter, eine Gasse für Babouches, eine für Ledertaschen, eine für Korbwaren. Eine wahnsinnige Fülle an Dingen! Sich treiben zu lassen oder zu verweilen, ist riskant – im Nu verliert man die Orientierung und die Gruppe. Abdelkrim geht voraus und zählt beständig seine Schäfchen.

Männer transportieren auf einem Handwagen eine ganze eiserne Wendeltreppe an uns vorbei. Fröhlich lärmende Schulkinder mit ihren weißen Kittelchen strömen aus einer Schule. Hin und wieder kann man einen Blick in einen Foundouk werfen, eine alte Karawanserei mit großem Innenhof.

Ein besonderer Ort ist die Maison de la Photographie, eingerichtet von Patrick Mana’ch. Die einzigartige Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotografien führt uns Marokko vor 100 oder vor 70 Jahren vor Augen. Auch Filmdokumente gibt es zu sehen. Und eine dem Trubel ganz entrückte Dachterrasse, wo wir nach der Enge der Gassen den Blick über die Dächer schweifen lassen.

Unser Abschieds-Abendessen findet dem Anlass gemäß in einem Palast-Restaurant statt, in direkter Nachbarschaft zum Pascha. In elegantem Ambiente genießen wir köstliche Lamm-Tajine mit Mandeln und getrockneten Früchten, dazu marokkanischen Rotwein.

Tafeln wie der Pascha: im Riad Palais Donab

5. Tag: Blau intensiv – wenn auch nicht am Himmel

Nachts hat es geregnet, unser letzter Tag wird trüb und wolkig. Wir nehmen Abschied vom „Sherazade“ und von der Djemaa el Fna, die ganz leer und frisch da liegt.

Ein paar Programmpunkte haben wir noch: Der Jardin Majorelle scheint inzwischen ein „Muss“ jedes Marrakesch-Trips zu sein. Die ganzen Tage haben wir nie so viele Touristen gesehen wir hier! Diesen idyllischen Garten mit knallblauer Künstlervilla im Bauhaus-Stil legte der lothringische Maler Jacques Majorelle in 1920er-Jahren an; der Modeschöpfer Yves Saint-Laurent und sein Lebensgefährte Pierre Bergé bewahrten ihn vor dem Verfall. Nach deren Tod wurde ihre Asche hier verstreut. Wir besuchen ihre fantastische Sammlung zur Kultur der Berber in Majorelles Haus. Nebenan zeigt seit Kurzem ein Museum für „YSL“, wie dieser in Marokko die Farben entdeckte. Draußen kontrastieren die leuchtenden Farben mit den Grüntönen der Palmen und Kakteen.

Der nun folgende thematische Kontrast könnte kaum größer sein: Um nicht nur die „Schokoladenseite“ und die touristischen Hotspots Marrakeschs zu zeigen, hat Christoph auch die „Spana“ ins Programm aufgenommen: In dieser Tierklinik, eingerichtet von einer Engländerin in den 1920er-Jahren, werden Esel und Pferde kostenlos behandelt. Tatsächlich gehören ja die vielen Arbeitstiere, die es in dieser Stadt gibt, zu den für uns ungewohntesten Eindrücken. Die Zugpferde der rund 500 Kutschen werden hier regelmäßig untersucht. Viele Tiere werden von ihren Besitzern schlecht behandelt, haben Wunden von ungeeigneten Geschirren oder Unfällen, Koliken, da sie Plastikmüll fressen, werden zu spät zum Tierarzt gebracht, da so ein Fuhrwerk oft die ganze Familie versorgt, erzählt die engagierte Studentin, die uns führt. Ein Ort, der die bittere Realität zeigt – aber auch Hoffnungsschimmer. Fünf Einrichtungen dieser Art gibt es in Marroko.

Abschied von Marrakesch nehmen wir im Menara-Garten mit seinem großen Wasserbassin. Der Zufluchtsort der Sultane vor der Sommerhitze ist heute ein beliebter Picknickplatz bei Familien. Das Postkarten-Panorama ist wolkenverhangen.

Dahinter sehen wir die Flugzeuge starten – und sitzen wenige Stunden später selbst in einem. Christoph Seemann bleibt noch da, um in wenigen Tagen die nächsten „Hirsche“ zu empfangen, die ich jetzt schon beneide. Mich hat mein erster Marokko-Eindruck sehr fasziniert – ich werde sicher bald einmal zurückkommen!

Mustermix mit der Verfasserin


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