Malerische Cinque Terre

Wandern entlang der ligurischen Küste im Spätsommer, das klingt verheißungsvoll. Also die Wanderstiefel geschnürt und aufgemacht ins „Malerische Cinque Terre“. So dachten außer unserer Reisegruppe noch viele andere. Doch die haben bestimmt nicht erlebt, was wir in diesen Tagen vom 12. bis 18. September mitgenommen haben.

Tag 1:
Den Tag der Anfahrt sollten wir geistig am besten schnell überblättern. Dank eines schweren Unfalls wurde die A 5 nach bereits langer Wartezeit letztlich komplett gesperrt und der Verkehr quälte sich über die Dörfer. Von Karlsruhe bis Basel brauchten wir über vier Stunden, was besonders die „Elbaner“ im Bus nervös machte, die noch ihre Fähre erreichen mussten. Doch irgendwann war es vollbracht, und nach Umstieg in einen Kleinbus erreichten wir letztlich doch noch unser Hotel in Moneglia.

Tag 2:
Geweckt vom heiseren Schrei eines Esels, alternativ auf der anderen Seite des Hotels, deutlich weniger romantisch, von gefühlt das Zimmer durchquerenden Regionalzügen, erwartete uns strahlender Sonnenschein und allerbestes Wanderwetter. Mit unserem Reiseleiter Martin Falk unternahmen wir eine Zugfahrt nach Sestri Levante. Der Bummel durch die Altstadt mit ihren hübsch bemalten Hausfassaden führte uns auch an die „Stille Bucht“. Die muss offenbar jeder Reisende mal gesehen haben, weshalb der Andrang zu späterer Stunde dem Namen nicht mehr gerecht wird, doch wir hatten Glück. Durch einen schönen Kiefernwald stiegen wir danach aufwärts zur Aussichtsplattform Punta Manara, wobei der südliche Vorsprung des Monte Castello den Küstenbewohnern als Ausguck diente, um frühzeitig vor Piraten zu warnen. Die Fotografen in der Gruppe konnten gar nicht anders als immer wieder anzuhalten und den herrlichen Blick zurück auf den Ort und das umgebende tiefblaue Meer festzuhalten. Unterwegs entdeckte Martins Adlerauge Erdbeerbäume, deren Früchte lecker nussig schmeckten. Dabei erwartete uns nach der Rückkehr am Hafen doch bereits ein stärkendes Mittagessen, von unserem Guide auf Wunsch der Gruppe organisiert. Unter fröhlichem Geplauder verging die Zeit hier wie im Flug. Der Rest des Nachmittags stand zur freien Verfügung und wurde zum Schwimmen, Bummeln oder für ein ausgiebiges Sonnenbad genutzt.

Sestri Levante
Stille Bucht
Blick auf Sestri Levante
Hafen Sestri Levante

Tag 3:
Ein leidiges Thema waren die teils langen Zugfahrten und vollen Bahnsteige auf unseren Touren, das aber dann mit einmaliger Erwähnung auch abgehakt sein soll. Nicht zuletzt aufgrund der vielen Kreuzfahrtschiffe mit ihren Reisegruppen ging es auf den Bahnsteigen teils zu wie in einem Bienenstock, doch es gelang uns immer, zusammen zu bleiben und Sitzplätze zu ergattern. Martin hatte im Vorfeld jeweils die Tickets für alle besorgt und entwertet, so dass wir uns darum nicht zu kümmern brauchten. Heute fuhren wir in das geschichtsträchtige und durch ein Kastell geschützte Portovenere, enterten im Hafen eine Fähre und setzten über auf die Insel Palmaria, die wir zu Fuß umrunden wollten. Trittsicherheit war hier erforderlich, ein steiler Aufstieg über Geröll endete plötzlich im Nirwana wegen unvorhergesehener Sperrung. Von anderer Stelle aus hatten wir dafür einen traumhaften Blick über die Klippen und während einer Rast den neckischen Besuch äußerst neugieriger Ziegen. Unser umsichtiger Wanderführer Martin hatte für unser leibliches Wohl vorgesorgt und wir konnten direkt am Meer ein Picknick aus appetitlicher Foccacia, belegt mit eher süßlichen roten Zwiebeln oder Oliven, sowie Torta Verde mit Pesto genießen. Beim abendlichen Spaziergang in unserem hübschen Städtchen Moneglia durften wir eine feierliche Prozession miterleben, Anlass war die Festa del Padrono del Paese, des Dorfheiligen. Die Frauen des Ortes hatten dazu viele Kerzen entlang der Gassen entzündet, etliche Bewohner folgten der Prozession mit Fackeln oder Teelichtern in bunten Gläsern.

Volle Bahnsteige
Neugierige Ziegen
Prozession in Moneglia

Tag 4:
Mit dem Zug ging es in das zauberhafte Seefahrerstädtchen Camogli. In der Morgensonne leuchteten die bunten Boote und farbigen Hausfassaden am Hafen besonders eindrucksvoll, die sich im Wasser spiegelten. An einer Stelle war ein riesiges Netz hochkant gespannt, in das offenbar die Frauen der Fischer während der ruhigen Winterzeit schelmische rote Herzen eingearbeitet hatten. Es machte richtig Spaß, hier herum zu stromern und in die Gässchen einzutauchen. Doch dann kam unser Fährboot und wir setzten über in die malerische kleine Bucht des ehemaligen Benediktinerklosters San Fruttuoso di Capodimonte. Beim steilen Aufstieg nach oben war uns ein fast intimer Einblick aus der Höhe in den Klosterinnenhof gestattet. Für die Mittagsrast hatte sich unser Martin wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Er legte großen Wert darauf, uns neben den wenig erbaulichen Mahlzeiten unseres abendlichen Restaurants die einheimische Küche Liguriens nahe zu bringen. Damit verbunden war ein herzlicher Kontakt zur Bevölkerung, die ihm mehr am Herzen liegt als Touristenhochburgen zu unterstützen. Was ganz im Sinne der meisten Teilnehmer in der Gruppe war. Am heutigen Tag hatte er für uns eine tolle Überraschung organisiert. Ziemlich hoch oben saßen wir bei Meerblick unter den Olivenbäumen des Agririfugio Molini, Weinkrüge und leckere Antipastiteller vor uns auf den Tischen. Agririfugio bedeutet Urlaub auf dem Bauernhof und Berghütte in einem, die zarte rothaarige Inhaberin schien dazu noch einen Hauch Irland beizusteuern. Und selbst so weit abgelegen war es unserem Guide gelungen, ein Stück Kuchen samt Kerze aufzutreiben und damit unserer völlig perplexen Erika zu ihrem Wiegenfest zu gratulieren. Natürlich waren da mehrere Ständchen fällig, und am Ende hatte nicht nur unser Geburtstagskind Tränen der Rührung in den Augen. Der von einem kurzen Regenschauer begleitete, abschüssige weitere Weg führte uns nach Portofino, wo wir noch etwas lustwandeln konnten. Abends erlebten die ganz Unermüdlichen dann eine weitere Krönung des Tages. Bestens gelaunt fanden wir in Moneglia eine nette Kneipe mit Livemusik, gespielt von Vater und Tochter, wobei sie einer jungen Version von Amy Winehouse stimmlich in nichts nachstand. Ein lustiger Spaßvogel hatte uns ebenso wie andere Besucher bald aufs Parkett gelockt. Übermütig schwangen wir bis nach Mitternacht das Tanzbein und hatten so viel Spaß zusammen, dass uns der Bauch wehtat vor Lachen.

Hafenimpressionen
Kloster San Fruttuoso
Aufstieg
Der einzige kurze Regenschauer
Portofino
Portofino

Tag 5:
Der heutige Tag führte uns von Manarola aus erst über unzählige breite Stufen hoch hinauf zu einem ruhigen Rastplatz an der Wallfahrtskirche Madonna della Salute in Volastra. Beim Wasserhahn im Ort einige Meter weiter hätten wir uns am liebsten komplett darunter gestellt, so durchweicht waren wir unter der immer noch heißen Sonne. Weiter ging es, und wir bewunderten über Jahrhunderte von Menschenhand geschaffene Terrassenfelder, eine Kulturlandschaft, wie sie nur in den Cinque Terre anzutreffen ist. Die schmalen Pfade führten entlang der Weinberge, in denen mehrfach romantische kleine Rastnischen angelegt waren, bis hinunter nach Corniglia, das als einziger Ort der Cinque Terre nicht direkt am Meer liegt. Vor einer herrlich bunten einheimischen Kneipe saßen wir auf Kisten, abgesägten Baumstämmen oder Stühlen. Dort wurden uns unzählige Gänge aus der ligurischen Küche offeriert, absolut schmackhaft, abwechslungsreich und vieles fremd für unsere Gaumen. Auch diese Überraschung hatte Martin perfekt hinbekommen, doch heute gab es schon wieder etwas zu feiern. Unsere Stimmung war bereits auf dem Höhepunkt, natürlich hatten wir dem Wein gut zugesprochen. Da gab es ein großes Hallo, als auf einmal Susanne mit ihrem Geburtstag im Mittelpunkt stand und wir als bereits geübter Chor wieder einen beherzten Auftritt hinlegten. Sie übernahm nicht nur den Wein und die Extras, es gab auch noch süße Cremeschnitten und Granatapfellikör für alle. Beim Bummel durch die zauberhaften Gassen Corniglias verfielen wir dann ein wenig dem italienischen Flair, mancher konnte sich nur ganz schwer wieder losreißen.

Tag 6:
Da alle in der Gruppe mehr von den Cinque Terre sehen wollten, stellte unser versierter Reiseleiter das Programm kurzerhand um. Die heutige Königsetappe der Wanderwoche bescherte uns einen traumhaften Ausblick, der aber erarbeitet sein wollte. Von Levanto aus ging es über unzählige Treppen nach oben, mit prächtigem Blick zurück über die Bucht und vorbei an einem Künstlerhaus mit fantasievollen Figuren im Vorgarten. Wir hatten fast ständigen Blick aufs Meer, dessen Farbe immer mal wieder changierte zwischen Smaragdgrün, Azur und Ultramarin. Man wollte am liebsten immer wieder stehenbleiben und diese Farbenpracht förmlich aufsaugen. Doch es kam noch besser. San’t Antonio al Mesco war ein mittelalterliches Kloster aus dem Jahr 1380, möglicherweise wurden die Kirche und angeschlossene Klause auch schon im elften Jahrhundert erbaut. Von der gotisch verkleideten Kirche sind heute noch die Apsis, Teile des Gewölbes und der Umfassungsmauer erhalten, während vom angrenzenden Kloster nur noch wenige Ruinen stehen. Der Komplex wurde 1610 mit dem Umzug der Ordensleute in den neuen Klosterkomplex der Augustiner von Levanto aufgegeben, er beherbergt heute städtische Räume und eine Jugendherberge. Dieses Punta Mesco war perfekter Aussichtspunkt wegen der gefürchteten Piratenüberfälle, uns bescherte der Ort eine gigantische Sicht über die kompletten Cinque Terre, alle Dörfer lagen uns zu Füßen. Hier brauchte es eine Pause um innezuhalten, die Gedanken schweifen zu lassen, zu träumen. Denn kurz darauf erwartete uns das absolute Kontrastprogramm in Monterosso al Mare, dem turbulenten Hauptort der Cinque Terre. Ruhe ade, hier ging es wuselig zu, eine Touristengruppe nach der anderen schlängelte sich über die Strandpromenade. Doch selbst hier konnte unser Reiseleiter ein Mittagessen für die Gruppe organisieren, die italienische Pasta hatten wir inzwischen alle lieben gelernt. Beim abendlichen Rundgang durch unser heimisches Moneglia fiel uns einmal mehr die Freundlichkeit der Italiener auf. Selbst am Ende der Saison, wo man andernorts beim Anblick von Touristen nur noch das Gesicht verzieht, waren die Einheimischen ausgesprochen freundlich und schienen sich ehrlich über jedes Lächeln und jedes Wort zu freuen, das wir an sie richteten.

Herrlicher Blick aufs Meer
Alle 5 Dörfer der Cinque Terre liegen uns zu Füßen
Monterosso al Mare

Tag 7:
Voller schöner Erlebnisse traten wir die Heimreise an, die unspektakulär verlief und sofort bei der Heimkehr schon wieder Sehnsucht nach Italien weckte.

Die Autorin dieses Berichts grüßt von der ligurischen Küste!