Literatur in und um Görlitz

Am Dienstagmorgen ist es kalt, dunkel und nieselig. Kaum jemand ist auf den Straßen, als mein erstes großes Abenteuer mit Hirsch Reisen beginnt. Noch ziemlich verschlafen treffe ich bei meiner Ankunft bereits die ersten Kunden am Reisebüro und so erwarten wir zusammen den Bus mitsamt Fahrer am Ludwigsplatz. Zur Freude vieler Stammkunden fährt uns Rocco Pflugbeil bei dieser Reise und schon sind wir auch am Karlsruher Bahnhof, an dem unser Reiseleiter Dr. Woltersdorff zusteigt.

Die Begrüßung und inhaltliche Einführung findet dann ab der Raststätte Kraichgau statt, als wir alle komplett sind. Herr Dr. Woltersdorff führt uns in die Geschichte der sorbischen Minderheit in der Oberlausitz und die wechselvolle Historie Niederschlesiens ein und gibt einen Überblick über das uns bevorstehende Programm. Unterwegs hören wir musikalische Interpretationen von Heinrich Heines Webern und Schumanns romantischen Liedern, auf unsere Route abgestimmt. Zuvor durchqueren wir auch das Grüne Band, den ehemaligen Todesstreifen zwischen DDR und BRD. Herr Pflugbeil berichtet uns von seiner Ausreise im Herbst 1989 und der Angst, die eigene Familie jahrelang nicht wiedersehen zu können. Da möchte man wirklich nicht tauschen.

Das zweite Schild auf der Autobahn, das uns den Weg nach Görlitz weist

Gegen halb fünf am Nachmittag erreichen wir unser Ziel, das als eine der schönsten Städte Deutschlands geltende Görlitz. Wir besuchen das Grab von Jacob Böhme, einem Theosophen, der seiner Zeit weit voraus war und auf den sich noch viel in den folgenden Jahrhunderten berufen wurde. Unter anderem war er der Ansicht, dass die Frau dem Manne ebenbürtig ist – damit machte er sich in der Kirche keine Freunde.

Das Grab von Jacob Böhme auf dem Nikolaifriedhof

Im Anschluss beziehen wir unsere Zimmer im Hotel und nehmen, je nachdem ob die Halbpension gebucht wurde, unser Abendessen im Hotelrestaurant ein.

2. TAG: Bautzen und die Sorben

Wasserkunst in Bautzen, aus dem Bus fotografiert

Am nächsten Tag fahren wir morgens nach Bautzen in die Oberlausitz. Bei einem Stadtspaziergang bewundern wir auch den Dom St. Petri von innen, eine der größten Simultankirchen Deutschlands. Danach statten wir dem Sorbischen Museum einen Besuch ab und erfahren sehr viel über die sorbische Kultur. Zu meiner großen Freude können wir nicht nur die detailverliebten Trachten bestaunen, sondern auch Musikinstrumente bewundern.

Das Rathaus von Bautzen am Marktplatz
Dieser Zaun im Dom St. Petri steht anstelle einer Mauer,
die früher den katholischen und protestantischen Gottesdienst trennte.

Das Mittagessen haben wir uns dann verdient und kehren in einem Gasthof etwas außerhalb der Stadt ein. Wer möchte, bestellt sich z.B. eine sorbische Hochzeitssuppe oder Karpfen mit Petersilienkartoffeln.

Ein Wassermann im Innenhof des Gasthofes –
mit dem in der Region heimischen Karpfen.

Im Anschluss kommen wir in den Genuss einer Lesung von Róža Domašcyna, einer sorbischen Autorin, die bereits mehrere Literaturpreise gewonnen hat. Mit viel Humor und etwas Kritik liest sie aus ihren Gedichten und Kurzgeschichten. Die Begeisterung unserer Gruppe zeigt sich darin, dass der Büchertisch wenige Minuten später ziemlich leer gefegt ist.

3. TAG: Deutsch-Polnische Impressionen

Wir starten unseren Spaziergang durch Görlitz bei bestem Wetter nahe des Stadtparks. Unser erstes Ziel ist die Synagoge von 1911, welche die Progromnacht 1938 dank der einschreitenden Feuerwehr überstand – diese Rettung gibt auch heute noch Rätsel auf.

Eine Synagoge ohne Gemeinde im Jugendstil

Unser Spaziergang führt uns weiter zu einem Gedenkort für Johannes Wüsten, Künstler und Kommunist, der 1943 im Zuchthaus durch eine Tuberkulose-Erkrankung verstarb.

Johannes Wüsten wurde übrigens in
Heidelberg geboren, steht nicht
auf der Tafel aus DDR-Zeiten

Der Straße folgend gelangen wir an das Neiße-Ufer. Beeindruckend sind die Muster auf den Wegen der Bleichwiese. Hier wurden früher Textilien gefärbt.

Wir folgen der Neiße bis zur Altstadtbrücke und überqueren sie einmal kurz, um in Zgorzelec das polnische Denkmal für Jacob Böhme zu betrachten.

Die Altstadtbrücke verbindet Görlitz und Zgorzelec

An der beeindruckenden Peterskirche vorbei gelangen wir in die Altstadt von Görlitz.

Das „Biblische Haus“ aus dem 16. Jahrhundert mit Darstellungen
aus dem Alten und neuen Testament
Der Untermarkt in Görlitz mit alter Ratsapotheke
Das alte Rathaus aus dem 14. Jahrhundert,
die Uhren zeigen Mondphase und Uhrzeit an
Das „neue“ Rathaus von Görlitz aus dem Jahr 1903 mit den Wappen des 6-Städte-Bundes:
Görlitz, Kamenz, Bautzen, Zittau, Luban, Löbau
Verrätergasse, die ihren Namen durch den
Görlitzer Tuchmacheraufstand 1527 erhielt
Der eigentlich schöne Obermarkt von Görlitz wäre schöner ohne Autos….
Trutzburg Görlitz

Nun haben wir den Nachmittag zur freien Verfügung. Ich entscheide mich für ein etwas konträres Programm und mache mich auf dem Weg zum Tierschutzpark Görlitz. Auf dem Weg passiere ich noch einige sehr schöne Gebäude.

Einer der Drehorte für den Film „Grand Budapest Hotel“

Der Tierpark empfängt seine Gäste dreisprachig: deutsch, polnisch und englisch. Auf den ersten Metern merke ich bereits, dass in diesem Teil der Stadt die Ländergrenzen aufgeweicht sind.

Unterwegs immer wieder zu finden: Hinweisschilder zu den Corona-Verhaltensregeln.
Waschbär (hier eine Ansicht von hinten) und Otter teilen sich ein großes Gehege

4. TAG: Niederschlesien und das Riesengebirge

Heute machen wir uns früh auf den Weg nach Polen, um in Rübezahls Reich vorzudringen.

Romantischer geht es nicht: Der Sonne im Nebel entgegen ins Riesengebirge

Unser erster großer Stopp ist das Haus Wiesenstein in Jagniątków. Hier wohnte Gerhart Hauptmann mit seiner zweiten Frau und dem gemeinsamen Kind. In den kommenden Minuten wird sich unser Bild von dem Literaturnobelpreisträger etwas ändern.

Haus Wiesenstein in Agnetendorf
Herr Dr. Woltersdorff erläutert anhand der Hannele-Statue
die Charakterisik von Hauptmanns Naturalismus
und auch die nuancenreiche Beziehung zu den Nationalsozialisten

Wir fahren weiter nach Lomnitz und erfahren, dass Niederschlesien nach dem Loire-Tal die zweithöchste Schlösserdichte hat – allerdings sind die Ausmaße etwas andere als in Frankreich…

Das letzte und vielleicht schönste Ziel des Tages ist Jelenia Góra, ehemals Hirschberg. Die Häuser leuchten farbenfroh in der Nachmittagssonne um die Wette.

Erstaunlich viele Europaflaggen finden sich am Rathaus von Jelenia Góra. Ein Symbol wider
die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts, dass polnisches Recht über EU-Recht stünde.
Ein Zeugnis der böhmischen Herrschaft: eine Hausfassade im österreichischen Barock
Eine Gnadenkirche nach Stockholmer Vorbild im 18. Jahrhundert für die Protestanten gebaut

Allmählich machen wir uns auf den Rückweg, steigen in den Bus und fahren der untergehenden Sonne entgegen in den Westen, zurück nach Görlitz.

5. TAG: In der Oberlausitz

Auch heute haben wir wieder großes Glück mit dem Wetter, der Himmel ist klar und die Sonne scheint. Erster Programmpunkt ist Muskau, mit Schloss und Park. Fürst Pückler selbst hatte zwar nichts mit Eis oder Sekt zu tun, wirkt aber wie ein sehr sympathischer Mensch – vielleicht liegt das aber auch nur an der sehr schönen und fantasievollen Ausstellung über ihn, die wir im Schloss vorfinden?

Vom Marktplatz kommend können wir dieses wunderbare Panorama genießen!
Der Haupteingang des neuen Schlosses. Die Farbauswahl stammt nicht von den Pücklers.
Ein Blick in den romantischen Park, nach englischem Vorbild

Nach einem leckeren Mittagessen und einem Stück hausgemachtem Fürst-Pückler-Eis fahren wir weiter nach Kamenz, um Lessing einen Besuch abzustatten. Er gilt als bedeutender Literat der Aufklärung.

Zur Einstimmung beginnen wir im Lessinghaus mit einer umfassenden Ausstellung zu Lessings Leben und Werk. Auch hier bildet sich gegen Ende wieder eine Schlange im Museumsshop – das Interesse der Gruppe ist groß.

Die Klosterkirche St. Annen – daneben war ursprünglich eine Schule
angesiedelt, die auch Lessing besuchte.

Nach einem Spaziergang vorbei an den wichtigsten Stationen aus den jungen Jahren des Gotthold Ephraim Lessing und vorbei an der Kirche, in der er beerdigt ist, machen wir uns auf den Rückweg nach Görlitz. Herr Pflugbeil versüßt uns die Rückfahrt mit einem Sekt, den die Firma Hirsch allen Gästen spendiert hat.

6. TAG: Rückreise

Wir machen uns relativ früh auf den Weg, weil Herr Pflugbeil eine wunderbare Idee hatte. Wer errät, in welcher Stadt wir unsere erste Kaffeepause gemacht haben?

Morgenstund hat Gold im Mund: der Wallbrunnen
Panorama eines sehr berühmten Gebäudes in der Stadt der Eierschecke

Nach zwei weiteren Pausen erreichen wir sogar früher als geplant Karlsruhe – es gab nicht einen größeren Stau. Die Verabschiedung ist dann sehr herzlich und so trennen sich unsere Wege nach und nach. Herr Dr. Woltersdorff und unser Fahrer Herr Pflugbeil haben diese Woche zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.

Schade, dass die Reise schon wieder vorbei ist.

Da Sachsen immer eine Reise wert ist: https://www.hirschreisen.de/reiseziele/deutschland/sachsen/