In Deutschlands Norden

Norddeutschland ist ja für die Karlsruher weiter weg als Paris oder Südtirol. Schon beinahe exotisch. Man kommt fast in eine andere Welt, wenn die Landschaft hinter Hannover platt und platter wird. Wenn der Wind rauer wird und die Luft nach Salz schmeckt. Tatsächlich locken an Nord- und Ostsee sehr vielseitige Ziele für jeden Geschmack: Ostfriesland und Schleswig-Holstein, „MeckPomm“ mit den Inseln Rügen und Usedom – das Angebot ist groß.

Unser Reisebusfahrer Wolfgang Behrends stammt selbst von der „Waterkant“ und hat seit den 1980er-Jahren unzählige Hirsch-Reisen in den Norden gemacht. Hier verrät er seine Lieblingsorte, gibt Tipps und erzählt, was für ihn typisch norddeutsch ist.

Wolfgang Behrends in Hamburg

Wo bist du aufgewachsen und wie hat der Norden dich geprägt?

Wolfgang Behrends: Ich bin bei Aurich in Ostfriesland geboren, mein Vater fuhr zu See: Hochseefischerei. Aber schon als Jugendlicher kam ich zu den Großeltern nach Pforzheim, wo es bessere Ausbildungsmöglichkeiten gab. Da hab ich Automechaniker gelernt. Heute lebe ich in Tübingen, aber die Kontakte zu meinen Geschwistern, Nichten und Neffen in Ostfriesland sind eng.
Plattdeutsch hab ich total verlernt, verstehe aber das meiste, selbst wenn meine Schwägerinnen so richtig loslegen. Doch trotz „Seemannsblut“ bekommt mir das Schifffahren nicht so gut. Daher bin ich wohl Busfahrer geworden. Und wie mein Vater war auch ich oft weg von der Familie.
Als Kinder war das Meer für uns fast unerreichbar. Schwimmen gelernt habe ich im Ems-Jade-Kanal. Wir haben alte Autoschläuche an die Torfkähne gebunden und uns darin ziehen lassen. Im Winter sind wir auf den Kanälen Schlittschuh gelaufen. Im Keller hatten wir immer ein großes Heringsfass. Fisch esse ich schon immer sehr gern.

Ems-Jade-Kanal bei Aurich

Ostfriesland war lange kein Ziel für Hirsch Reisen. Als ich das mal vorschlug, bekam ich zu hören: „Da will doch niemand hin!“ Doch schon in der folgenden Saison habe ich das erste Programm zusammengestellt. Und kam dann oft zweimal im Jahr beruflich hin.


Worauf freust du dich am meisten, wenn du nach Ostfriesland fährst?

Wolfgang Behrends: Auf die Inseln. Langeoog mit seinen Dünenwegen. Wir waren privat auch schon manchmal im Winter dort oder auf Wangerooge: Spazieren an leeren Stränden, hinterher einen Grog zum Aufwärmen. Den braucht man auch manchmal im Sommer. Faszinierend finde ich die Meyer-Werft im Emsland. Da gehe ich jedes Mal wieder mit rein – und bewundere die Logistik, die nötig ist, diese Wahnsinns-Kreuzfahrt-Pötte zu bauen. Jever ist sehr hübsch. Natürlich mit Jever-Brauerei und ihrem uralten historischen Museumsteil. Aber auch die Sielhafenorte.
Früher hab ich mich immer besonders auf die Wattwanderung gefreut, die nun leider nicht mehr im Programm ist. Das war eine super Stimmung, aber auch anstrengend. So mancher ist im Schlick gelandet.
Viele Jahre hat Renke Siefken die Reise geleitet, ein Ostfriese wie aus dem Bilderbuch, ein echtes Original und bekannt wie ein bunter Hund. Er hatte die besten Sprüche drauf und sang auch mal abends den Leuten Shanties vor. Und wenn sein Bart im Sommer lang war, wusste ich: Er spielt mal wieder bei Festspielen Störtebekers Steuermann.

Die Dünen von Langeoog

Leuchtturm von Langeoog mit Lale-Andersen-Denkmal und Carolinensiel

Greetsiel

Die Zwillingsmühlen von Greetsiel und Renke Siefken

Seehunde in Norddeich bei Fütterung

Und was gefällt dir auf anderen Hirsch Reisen an Nord- und Ostsee besonders?

Wolfgang Behrends: Da fällt mir als erstes das super Hotel in Timmendorfer Strand ein, wo man Zeit hat, Strand und Meer zu genießen. Und die schöne Holsteinische Schweiz mit ihren Seen.
Ich mag auch Fischland Darß mit seinen unberührten Landschaften und urigen Dörfern. Oder Usedom mit seinen Strandpromenaden aus der Kaiserzeit, den eleganten Seebrücken und – als Kontrastprogramm – dem NS-Raketenforschungsgelände. Auf Rügen wird ja wie in Ostfriesland Störtebeker sehr verehrt. An die Festspiele dort habe ich sehr lebhafte Erinnerungen. Kunstfreunde kommen bei den Kreidefelsen ins Schwärmen, mir gefallen auch die Kiesstrände unterhalb, wo man Klappersteine und Hühnergötter finden und Räucherfisch frisch aus dem Ofen essen kann.
Auch in den Hansestädten bin ich gern, in Bremen und Lübeck mit ihrer Backsteinarchitektur, in Bremerhaven mit dem fantastischen Auswandererhaus. Oder in den Moordörfern, bei den Künstlern von Worpswede oder bei den Wikingern von Haithabu. Es gibt unglaublich viel zu sehen.

Grömitz, Ausflugsziel bei der Timmendorfer-Strand-Reise

Klischee und Wahrheit: Sind Norddeutsche tatsächlich so kühl und distanziert, wie wir glauben?

Wolfgang Behrends: Von wegen! Wo man auch hinkommt, überall hört man ein freundliches „Moin!“ – zu jeder Tageszeit übrigens. Selbst in der Nacht. Und bitte nur ein einfaches „Moin“. Das „Moin, Moin“ ist für die Ostfriesen schon „Gesabbel“, also Geschwätz. Es stimmt schon, dass man es nicht schätzt, wenn um den heißen Brei geredet wird. „Mach ma Budder bei die Fische“, heißt es dann. Noch so ein typischer Spruch ist: „Wat mutt, dat mutt.“ Nicht groß herumjammern, sondern einfach machen, ist die Devise. Und jede Gelegenheit zum Feiern wird gerne genutzt. Unsere Gäste waren tatsächlich oft überrascht, wie freundlich und gutgelaunt hier alle sind.


Kommen wir zum „Reiseknigge“: Was sind „Do´s und Dont’s“ für den Norden?

  • Nie ohne Führer eine Wattwanderung unternehmen. Die Flut kommt so schnell!
  • Die ostfriesischen Teetassen sind sehr klein. Aber wer seinen Löffel nicht in die Tasse legt, bekommt ewig nachgeschenkt.
  • Man sollte sich nicht am Anblick von Windkraftanlagen stören, die es in rauen Mengen gibt. Ein großer Teil des Windstroms gelangt ja in den Süden.
  • Kein Ausflug ohne Regen- oder Windjacke, denn „Schietwetter“ ist an der Küste immer drin. Und der Wind kommt immer von vorn. Besonders beim Radfahren.


Was bedeutet der Norden für dich?

Wolfgang Behrends: Ich liebe ja das Wandern in den Bergen. Und doch muss ich auch immer wieder an die Nordseeküste: Aufs Meer gucken, diese Weite, so viel Himmel und so viel Platz überall. Der Rhythmus von Ebbe und Flut. Das macht etwas mit einem. Und prägt mich, obwohl ich schon so lange weg bin.

Ich esse sehr gerne Fisch (hab ich das schon gesagt?). Ich trinke gern starken Friesentee. Meine Marke bestelle ich online, die kann man bei uns nicht kaufen. Auch die Kluntje und ordentliche Hafergrütze für den Grünkohl. Wenn ich im Norden bin, kaufe ich immer Vorräte ein, auch das typische Schwarzbrot und das Rosinenbrot, das ganz anders ist als badischer Hefezopf. Na ja, und dann schaue ich im Fernsehen schonmal „Nord bei Nordwest“ oder „Morden im Norden“ an, nur wegen der Atmosphäre. Und im Auto haben wir alle CDs von Santiano: Seemanns-Rock aus Schleswig-Holstein – da singen wir alle mit.


Was sollten Hirsch Gäste nicht versäumen?

Wolfgang Behrends: Einmal im Strandkorb sitzen. Schlick zwischen den Zehen spüren. Fisch- oder Krabbenbrötchen direkt am Anleger essen. Eine Ostfriesische Teetafel erleben, so richtig mit Kännchen und Stövchen, Kluntje und Sahnewölkchen. Sanddorn-Spezialitäten probieren, vitaminreiches Superfood, das sich auch gut als Mitbringsel eignet.

Ostfriesentee – ganz klassisch aus dem Service mit der Ostfriesenrose
Wolfgang, „der Außerfriesische“, vor Ottos Leuchtturm