Genusswandern in Ligurien

Allein das Motto der Hirsch-Reise „Genusswandern in Ligurien“ vom 8. bis 15. Oktober 2021 sprang so manchen Teilnehmer förmlich an und verleitete zu spontanen Buchungen mit verklärten Augen, wie sich in späteren Gesprächen herausstellte. Es war eine Premiumreise, die es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Eine solche Konstellation trägt von Natur aus in sich, dass man an Erfahrung gewinnt. Etwa beim nächsten Mal die Gruppe der wanderfreudigen Genießer kleiner zu halten und für die engen Bergstraßen auch einen entsprechend wendigeren Bus zu wählen.

Für die Anfahrt an die Riviera di Ponente am frühen Freitagmorgen war das größere Kaliber dagegen sehr bequem. Vorbei am Vierwaldstätter See und Luzern bis zum Gotthard-Tunnel und Lugano war dem Auge viel geboten, ziemlich mau wurde es dann in der gefühlt über unendliche Kilometer sich anschließenden Ebene. Bei Genua konnte der erste Blick aufs Meer erhascht werden, entlang der Küstenstraße waren die Lebensgeister plötzlich wieder erwacht. Arma di Taggia hieß unser Ziel, und wir bezogen Quartier im Hotel Svizzera direkt am Meer.

Blick vom Hotel

Die ersten beiden Tage waren Frühstück und Abendessen dort nicht wirklich berauschend, doch das Küchenteam zeigte sich kooperativ und lernfähig und steigerte sich täglich. Bereits am ersten Abend lernten wir hier unseren Reiseleiter Martin Falk kennen, der sich im Verlauf dieser Tage als absoluter Glücksfall entpuppen sollte. Doch dazu später mehr.

2. Tag – Dem nur wenige Kilometer entfernten San Remo war am nächsten Morgen der erste Ausflug gewidmet.

Galerie in San Remo

Die einladende Altstadt mit ihren hübschen Geschäften sowie Galerien, Buchhandlungen und Cafés bezauberten ebenso wie der Blick auf den Hafen von der hoch gelegenen Kirche.

Das Eingangsportal wurde gerade für eine Hochzeit geschmückt, unser Guide Martin zeigt hier auf die unübersehbar am Straßenrand platzierte Liebeserklärung.

Martin

Weiter führte unser Weg, vorbei am noblen Spielcasino, den Luxusvillen der Belle Epoque und der Russischen Kirche bis zum ganz individuellen Walk of Fame San Remos, den die Namen der Stars des berühmten Musikfestivals zieren.

3. Tag – Wir spazierten vom Hotel zu der in wundervoll warmen Gelbtönen gehaltenen Kirche auf dem Hügel von Bussana, die nach einem verheerenden Erdbeben 1887 wieder aufgebaut wurde, finanziert durch Spendengelder. Auf einem uralten Maultierpfad stiegen wir weiter steil nach oben zu dem Dorf Bussana Vecchia, in dem sich nach der Naturkatastrophe Künstler mit ihren Ateliers und Werkstätten ansiedelten und sich beim Malen, Töpfern oder Schmieden über die Schulter schauen lassen.

Bussana Vecchia

Einfach bezaubernd waren die malerischen kleinen Gässchen des autofreien Ortes, durch die wir nach Herzenslust bummelten.

Unser Reiseleiter Martin hatte für uns ein feines Mittagessen in den Weinbergen mit Blick über das Armea-Tal bis zum Meer organisiert. Beim geselligen Plaudern verging uns die Zeit hier wie im Flug.

Mittagessen

Einige Damen ließen es sich nicht nehmen, nach der Rückkehr von unseren Ausflügen fast täglich ins Meer zu springen und ein paar Runden zu schwimmen.

4. Tag – Zwei Männer und ihre individuellen Qualitäten lernten wir heute ganz besonders zu schätzen auf unserem Weg ins Valle Argentina. Wegen seiner vielen Olivenbäume und ihrer im Sonnenlicht glänzenden Blätter wird es das „Silberne Tal“ genannt und erstreckt sich bis zu den höchsten Bergen Liguriens. Der Eine unserer Helden war unser Busfahrer Eberhard Steinmann von ES-Touristik, der uns die ganze Reise über chauffierte. In den extrem engen Bergdörfern, durch die er mit seinem Bus von gewaltigen Ausmaßen an manchen Kurven mehrfach immer wieder in Millimeterarbeit umsetzen musste, um irgendwie durchzukommen, bewies er Nerven wie breite Nudeln und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ihm zollten wir allergrößten Respekt und vielfachen Applaus, manch jüngerer Kollege mit weniger Erfahrung wäre bei diesen Anforderungen unterwegs ausgestiegen. Doch auch von unserem Guide Martin durften wir auf dieser besonderen Reise viel lernen. Der sympathische junge Österreicher lebt inzwischen in Ligurien, und dem ehemaligen Kameramann ist es ein besonderes Anliegen, jedem Menschen mit Respekt und Wertschätzung und immer auf Augenhöhe zu begegnen. Auf diese Weise hat er sich in seiner neuen Heimat Freundschaften aufgebaut, die er intensiv pflegt.

So kamen wir nach dem Besuch von Triora, wo die letzten dokumentierten Hexenprozesse an 30 Frauen des Dorfes statuiert wurden, in einen ganz besonderen Genuss. Einem Adlerhorst gleich thront Realdo auf den Berggipfeln Liguriens.

Realdo

Aufgrund der guten Kontakte Martins waren die letzten verbliebenen sieben Dorfbewohner bereit, für uns zu kochen. Wir durften unter Bäumen in einem Privatgarten sitzen und die Einheimischen kredenzten uns voller Stolz, was sie in tagelanger Arbeit für uns geschaffen hatten.

Essen bei den Dorfbewohnern
Essen bei den Dorfbewohnern

Es schmeckte alles so lecker, und am schönsten war es, als sie sich zu uns setzten, um gemeinsam mit uns zu essen. Das waren unvergessliche Stunden und ein Lehrstück in Sachen Völker verbindender Freundschaft. Um unsere vollen Bäuche wieder etwas in Bewegung zu bringen, wanderten wir anschließend auf das in 1125 Metern Höhe gelegene Verdeggia.

Wobei insbesondere die bis auf die Gipfel dicht gewachsenen Zauberwälder beeindruckten.

5. Tag – Heute fuhren wir ins geschichtsträchtige Taggia, einst römischer Posten an der Via Aurelia, und besuchten das sehenswerte alte Konvent der Dominikaner.

Konvent der Dominikaner

Neben dem gotischen Kreuzgang und dem uralten Olivenbaum im Innenhof beherbergt es die große Bildergalerie von Ponente Ligure mit Gemälden und Fresken bekannter Künstler wie Brea, bei dessen perspektivischer Malweise der Übergang zur Renaissance gut sichtbar ist.

Olivenbaum Dominikaner

Die Mitglieder, von denen heute noch drei dort leben, hatten missionarische Funktion und beanspruchten für sich, das wahre Evangelium zu verbreiten. Bei Nichteinhaltung der Regeln wurde ganz demokratisch mit weißen Bohnen und schwarzen Schieferkugeln über Sanktionen abgestimmt.

Weinberge

Nach unserer Wanderung durch die steilen Weinberge und leckerem Mittagessen auf der idyllischen Terrasse des kleinen Ortes Santuario di Pantelleria ereignete sich eine filmreife Geschichte, die so nur das Leben schreibt. Der Wirt war so glücklich über den mit unserer Gruppe erzielten besten Umsatz des Jahres, dass er noch während unserer Anwesenheit den Bürgermeister darüber informierte. Der wollte nun unbedingt unseren Reiseleiter Martin kennenlernen, der lieber einheimische Gastronomie unterstützt statt langweilige große Touristentempel anzufahren. Also schwang er sich auf sein Motorrad und düste zu uns hoch in die Berge. Als er erfuhr, mit welchen Mühen unser Busfahrer in den engen Kurven zu kämpfen hatte, beorderte er sofort zwei Carabinieri nach oben. Die unseren Bus mit Blaulicht ins Tal lotsten und den Gegenverkehr mit ihrer aus dem Fenster gezeigten Kelle in Schach hielten, was bei uns im Bus doch einige Heiterkeit auslöste.

6. Tag – Unsere Fahrt ins hoch oben auf den Bergen thronende Dorf Perinaldo forderte von unserem Fahrer einmal mehr all seine Erfahrung ein, bis auf der engen Straße wirklich nichts mehr ging und wir festsaßen. Glücklicherweise kurz vorm Ziel, so dass wir das kurze Wegstück durch den Wald laufen konnten.

Perinaldo

In dem Ort beschlossen wir nach einer kurzen Lagebesprechung, uns zu teilen. Einige wanderten mit Martin auf schönen Waldwegen zu einer Brücke mit herrlichem Blick auf den Ort.

Die anderen erkundeten ausgiebig das wiederum sehr malerische Bergdorf mit seinen verwinkelten Gassen
und einer besonders beeindruckenden Kirche. Denn diese war nicht einfach nur schön. Hier gab es einen von einheimischen Spendern gut bestückten Gabentisch für die Armen des Dorfes, darunter etliche Künstler. In mehreren Sprachen hing ein Schild darüber „Nimm dir, was du brauchst“, ein sehr berührender Anblick.

Wir wanderten hinunter nach Islabona im Nervia-Tal und erfuhren dort zu unserer Freude, dass weder unserem Fahrer noch seinem Bus etwas passiert war, er erwartete uns bereits zum landestypischen Mittagessen.

Auf dem Rückweg legten wir einen kurzen Boxenstop in Dolceaqua ein.

Die hübsche Bogenbrücke mit dem dahinter liegenden Kastell wurde schon von Claude Monet in mehreren Variationen gemalt.

Dolceaqua Bogenbrücke

7. Tag – Kaum vorstellbar, aber unserem Reiseleiter Martin gelang es, an unserem letzten Ausflugstag den vielen bisher schon mit ihm erlebten Highlights noch ein besonderes Sahnehäubchen aufzusetzen.

Nach dem Besuch der Hanbury-Gärten nahe der Grenze zu Frankreich, die der weit gereiste englische Kaufmann mit Pflanzen aus allen Erdteilen bestücken ließ, und einem Kurztrip ans Meer erwartete uns ein neunsitziger Minibus.

Meer bei Grenze

Mit ihm wurden wir nach und nach über extrem enge und sehr steile Sträßchen auf einen Weinberg bei Airole mit faszinierendem Blick auf die umgebende Bergwelt gefahren.

Weinberg Airole
vom Blick Weinberg Airole

Il Padrone, der Chef des Weingutes, erklärte uns alles voller Stolz unter anderem die Anlage, um Lavendelessenz zu destillieren.

Es waren einmal mehr die Einwohner des nächsten Dorfes, die uns hier oben im Freien, an einer langen Tafel aufs Feinste verköstigten, passend zur Weinprobe.

Die Zeit verging wie im Flug, wir waren dem Himmel ganz nah – so fühlt sich Glück an. Eine wunderschöne Wanderung führte uns dann wieder talabwärts.

Unser Reiseleiter Martin Falk hat sich während der gesamten Tage viel Lob verdient für seine Umsicht, seine Feinfühligkeit, seine perfekte Ortskenntnis und sein gelungenes Anliegen, uns das Leben der Bevölkerung näher zu bringen. Es war wirkliches Genusswandern in Ligurien, nur leider mussten wir am nächsten Tag die Heimreise antreten mit wehmütigem Blick zurück aufs Meer.