Festspielreisen – Arena di Verona

Verona_Arena_Wikimedia_CommonsSommerzeit – Festspielzeit! Jede Stadt, die etwas auf sich hält, veranstaltet jetzt Konzerte, Musicals oder Opernaufführungen unterm Sternenhimmel. Das kleine bayerische Oberammergau stemmt in diesem Jahr wieder die ungeheure Aufgabe der Passionsspiele mit Hunderten von Darstellern; der exklusive Grüne Hügel von Bayreuth öffnet sich mit Public Viewing einem jungen Publikum. Erstklassige Qualität, einen unvergleichlichen Rahmen und trotzdem erschwingliche Preise finden Opernliebhaber in Bregenz und Verona. Seit Daniel Craig als James Bond durch die Tosca-Kulissen der Seebühne jagte, sind die Bregenzer Festspiele auch Opernlaien ein Begriff. Neben spektakulären Inszenierungen (am, überm und im Wasser!) sorgen hier die Wiener Symphoniker für hohes Niveau. Doch für mich geht nichts über Verona, wo heute wieder die berühmten Festspiele beginnen …

Zehn Jahre lang habe ich Reisegruppen nach Verona begleitet, dutzende Male Aida gesehen, aus allen möglichen Perspektiven, von Steinstufen in jeder Höhe, bisweilen auch von besseren Platzkategorien und war immer wieder aufs Neue fasziniert! Verona ist ein echter „Klassiker“!

Schließlich finden in der antiken Arena schon seit 1913 Festspiele statt. Seitdem haben sich die Festspiele zu einem Touristenmagnet ersten Ranges  entwickelt – wenn auch seit einiger Zeit leider mit rückläufiger Tendenz. Die unzähligen Busladungen an Touristen, die in den Sommermonaten allabendlich in die oberitalienische Stadt gekarrt werden, mögen manchen abschrecken – aber ohne sie geht es nicht! So ein römisches Amphitheater mit 13.000 Plätzen muss schließlich gefüllt werden! Und so reihen sich an guten Tagen locker 100 Busse und mehr entlang der alten Stadtmauer und an den Ufern der Etsch auf.

Ein Schauspiel für sich: das Publikum

In Verona ist nicht nur die Vorstellung selbst ein Ereignis, sondern auch das ganze Drumherum. Zum Beispiel das sehr untypische Opernpublikum. Man sieht einfach ALLES: Flip-Flops und Abendkleid. Kurze Hosen und Smoking. Prall gefüllte Picknickkörbe und edle Champagnerbar. Wobei man eine Staffelung nach Preisklasse und Ankunftszeit beobachten kann: Die „Unnummerierten“, die wie die alten Römer auf dem blanken Stein sitzen, kommen als erste. Schon vor 18 Uhr stehen manche sich vor den eisernen Gittern der Vomitorien (wörtlich heißen diese Zugänge zu den erstaunlich großräumigen „Innereien“ des Amphitheaters „Ausspeier“) die Füße platt, um nach Einlass die besten Plätze zu ergattern. Sind die hohen steinernen Stufen erklommen und ein Platz erkämpft, heißt es Ausharren in der Hitze, bis nach 21 Uhr die Vorstellung endlich beginnt. Und die Ränge werden eng besetzt! Anlehnen kann man sich nicht, denn da stehen die Füße des Hintermannes. Wenn nach über 3 Stunden die Oper beginnt, ist man oft schon völlig erschöpft! Da ist es am Besten, aufs „kleine Schwarze“ sowie glatte Sohlen zu verzichten. So ein Opernbesuch erfordert Kondition! Dafür ist es hier billig (derzeit bis 15 €) und es wird auch vor der Vorstellung schon eine Menge geboten: Großfamilien picknicken, Gruppenreisende suchen in der unüberschaubaren Menge nach Bekannten, Ferngläser werden herumgereicht, manche entziffern Libretti und erörtern, wer mit wem warum etc., andere tauschen sich lautstark über die Qualität der Hotelzimmer und der eben genossenen Pizza aus – und das in allen erdenklichen Sprachen. Ich sitze mittendrin, blättere im kiloschweren Programmbuch, um mich für meine Gäste über aktuelle Inszenierungen und Besetzungen zu informieren, und hoffe, nicht wieder einen Sitznachbarn erwischt zu haben, der unentwegt mitsingt. Letzte Aufbauten finden auf der Bühne statt. Bald kann man die Rufe der zahllosen Verkäufer mit ihren Bauchläden, die mit erstaunlichem Geschick zwischen den Sitzenden balancieren, auswendig mitsummen: „Gelati!“ – „Birra, Fanta, Cola!“ – „Gelati“ – „Programmi!“ – „Gelati!“ – „Cucini!“ – Alles irrsinnig überteuert! Nur Kissen braucht man unbedingt, egal, was sie kosten!

Die Zuschauer mit nummerierten Plätzen zahlen 3mal mehr, dafür können sie sich Zeit lassen – in einem der vielen Cafés der Piazza Bra einen Prosecco trinken und die Menge beobachten, die wie ein Bienenschwarm die Arena umkreist, oder in den angrenzenden Gassen noch nett essen gehen. Sie dürfen auf Plastiksitzen mit Lehne (!) Platz nehmen und haben sogar während der knappen Pausen Gelegenheit, mal kurz auf die Piazza zu gehen, um kühlere Luft zu schnappen. Zuletzt, meist erst ganz knapp vor dem 3. Gong trifft die „Hautevolée“ im Parkett ein. „Parkett“ meint hier das eigentliche Rund der Arena, in dem vor 2000 Jahren die Gladiatoren auf wilde Tiere oder andere blutrünstige Gegner trafen. Und durch denselben Eingang wie diese betreten die Inhaber der kostspieligsten Karten (etwa 300 €) die Manege und setzen sich in Szene: High Heels, große Abendrobe, Smoking, seltener auch mal Schrilles – Hauptsache teuer. In Italien ist ja alles noch einen Hauch eleganter als wir das von Deutschland gewohnt sind … Eigentlich ist es wie in der Antike: oben das „Volk“, unten die „Senatoren“ – besonderen VIPS ist die Kaiserloge über dem „Löweneingang“ reserviert.

Wenn Steine erzählen könnten …

Was die Atmosphäre so unvergleichlich macht, ist das Bewusstsein, dass man sich an einem geschichtsträchtigen Ort befindet. Dabei ist das gewaltige Amphitheater – die Längsachse misst 138m – nur noch ein Bruchteil dessen, was es einmal war. Ursprünglich war es erheblich größer, rund 22.000 Zuschauer fieberten bei Tierhetzen, Gladiatorenkämpfen oder Seeschlachten mit! Alles was man heute sieht, ist eigentlich „Innenleben“. Von der Außenhaut steht nur noch die „Ala“, ein marmorverkleideter Flügel aus 3 Bögen. Das Amphitheater markierte das südliche Ende der Römerstadt, das Theater jenseits der Etsch das nördliche. Der antike Schachbrettgrundriss Veronas ist bis heute kaum verändert: Die heutige Fußgängerzone entspricht der römischen Hauptstraße von der Arena zum Forum (Piazza delle Erbe). Ursprünglich außerhalb der Mauern, wurde die Arena zur Völkerwanderungszeit Teil der Stadtbefestigung. Im Mittelalter nutzte ihn die Scaligeri für Ritterspiele und als Hinrichtungsstätte. In venezianischer Zeit zogen Handwerker und Prostituierte in die Räume unter den Arkaden; später hielten die Österreicher hier Paraden ab. Goethe hat auf seiner Italienreise die Arena gezeichnet, die ihn schwer beeindruckte: „… das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten!“ schwärmt er in seinem Reisebericht. Und treffend stellt er fest, dass der „amphitheatralische Krater“ nicht leer gesehen sein wolle, „sondern ganz voll von Menschen … Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren … Die Simplizität des Oval ist jedem Auge auf die angenehmste Weise fühlbar, und jeder Kopf dient zum Maße, wie ungeheuer das Ganze sei.“ – wie recht er hat, kann heute jeder Fußballfan nachfühlen!

Die Vorstellung beginnt!

13.000 lärmende Zuschauer – und plötzlich ist alles still, lauscht gebannt den Pianissimo-Klängen, mit denen die Aida-Ouvertüre beginnt. Kapellmeister Daniel Oren hat einmal im Interview gesagt, am meisten bezaubere ihn diese Stille in der Arena. Die Spannung lässt sich greifen. Tausende Kerzen funkeln – alljährlich gesponsert von einem Keksfabrikanten, um daran zu erinnern, dass die Zuschauer früher bei Kerzenschein das Textbuch mitlasen. Eine magische Atmosphäre! Übrigens ist die Akustik der Arena auch auf den höchsten Stufenplätzen, 100m von den Sängern entfernt, ganz erstaunlich! Vor allem die Solopartien so ganz ohne Verstärker! Und natürlich die Massenszenen, in denen an die 200 Chorsänger auftreten! Mehr als 700 Personen wirken auf und hinter der 1500 m² großen Bühne mit; Auf- und Abbau dauern bisweilen stundenlang – ein Wahnsinn!

Auch für den Dirigenten ist eine Arena-Aufführung eine große Herausforderung, vor allem wegen der Dimensionen: Zwischen ihm und den Sängern liegen mitunter 30m, von der Bühnenrampe bis zur ersten Sitzreihe sind es fast 50m. Das macht es schwierig, Tempoabweichungen zu vermeiden und Orchester und Sänger zusammenklingen zu lassen. Daniel Oren, der von Leonard Bernstein und Herbert von Karajan ausgebildet wurde und seit 1984 Maestro der Arena ist, betont immer wieder, dass Verona nicht nur „Spektakel“ sei: Die Musik spiele DOCH eine Rolle! Und hier hört man großartige Stimmen! Viele der Anwesenden aber haben vermutlich noch nie im Leben ein Opernhaus betreten. Das merkt man spätestens am rüpelhaften Klatschverhalten, das den abgebrühten Maestro kaum noch auf die Palme bringt (Nur vorm Gefangenenchor im Nabucco bittet er die Zuschauer jedes Mal ausdrücklich darum, die letzten Töne abzuwarten, was meist nicht klappt. Damit ansonsten applausmäßig nicht allzuviel schief geht, gibt es einen höchst auffälligen Claqueur, der seit Jahren vorne links sitzt und dem Publikum Hilfestellung beim Jubeln gibt. Im Italienischen heißt es übrigens nicht „da capo!“, sondern „bis!“ (2. Mal), das ist nützlich zu wissen.

Viva Verdi!

Seit Beginn der Festspiele zum 100. Geburtstag Giuseppe Verdis 1913 ist Aida der „Dauerbrenner“ in der Arena! Für sein Auftragswerk zur Einweihung der neuen Oper in Kairo kassierte Verdi vom ägyptischen Khediven übrigens das höchste Honorar der Operngeschichte! Die Monumental-Oper über Liebe und Verrat, Kriegslust und Nationalismus, mit dem berühmten Triumphmarsch und prächtigen Chören ist einfach großartig! 1999 überraschte Pier Luigi Pizzi in Verona mit einem rein knallblauen Dekor und futuristischen Kostümen, die ein bisschen an Star Trek erinnerten. Seit 2002 dominiert Zefirellis riesige goldene, aus Stäben zusammengesetzte, drehbare Pyramide das Geschehen (diese gold-bunt-leuchtende Inszenierung wird 2010 zu Ehren Zefirellis wiederaufgelegt). Doch egal ob in Blau oder Gold – wenn die Sklavin Aida und der ägyptische Feldherr Radames schließlich eingemauert den Liebestod erwarten und die leisen Schlusstöne erklingen, gehört das zu den ergreifendsten Momenten, die man in einer Sommernacht erleben kann!

Ebenfalls hervorragend geeignet für die Arena ist Nabucco. Ab 2002 war eine sehr eindrucksvolle, mesopotamisch angehauchte Inszenierung zu sehen, die Bühne stets bevölkert von geflügelten Göttern mit Stierköpfen. Toll: der monumentale Stierkopf, der bei Nabuccos Wahnsinnsanfall vom Blitz gespalten wurde und blutend auseinanderklaffte. In wirkungsvollem Kontrast stand die Szene des Gefangenenchores, ganz ohne Dekoration. Während des Gesanges formierten sich einige der Israeliten auf den oberen Stufen zu einem 7-armigem Leuchter – wunderbar! Für Nabucco, der erste Riesenerfolg des jungen Verdi, hatte es bei der Premiere übrigens 32 Vorhänge gegeben! Die Italiener machten den Sklavenchor im 19. Jh. zur heimlichen Nationalhymne ihres noch nicht geeinten Landes unter fremder Herrschaft. Bis heute wird daher „Va pensiero“ auf italienischen Bühnen – auch in Verona – IMMER 2mal gesungen!

Enttäuscht wurde ich eigentlich nur einmal, als man sich bei La Forza del Destino Ende der 90er Jahre mit einem bis auf ein kleines Kirchlein komplett leeren Bühnenbild begnügte. Etwas gewöhnungsbedürftig auch Graham Vicks La Traviata, eine Mischung aus Las Vegas und Lady Di’s Begräbnis mit endlosem Blumenmeer. Zeitweise besetzte eine gigantische, hässliche Plastikpuppe die Bühne (die an Tagen anderer Vorstellungen auf der Piazza Bra hockte und über den Arena-Rand glotze), Violetta starb dann an Aids. Womöglich sollte mit diesem Transfer in die Gegenwart auf die Entstehungsgeschichte angespielt werden: Im 19. Jh. hatte nämlich Alexandre Dumas d.J. mit dem zeitgenössischen Stoff seiner Kameliendame, der Verdi als Vorlage diente, für einen ausgewachsenen Bühnenskandal gesorgt. Der österreichische Zensor schrieb Verdi daher historische Kostüme vor, was die Wirkung der Oper erheblich schmälerte.

Zwischenfälle

So eindrucksvoll so ein Opernerlebnis ist, so unvergesslich die Zwischenfälle! Besonders Carmen von 1999 hat sich mir eingeprägt: Es dirigierte Placido Domingo, der ja auch ein hervorragender Pianist und Dirigent ist (Anlass war sein 30-jähriges Bühnenjubiläums in Verona; letztes Jahr beging er dort das 40.) -wunderbar! Doch ganz zum Schluss – eben hat José Carmen niedergestochen und will sich nach dem langen Todeskampf der „femme fatale“ festnehmen lassen – in diesen letzen, dramatischen Sekunden, geschieht das Unglück: Einer der herbeieilenden Gendarmen stürzt die Treppe herunter, überkugelt sich, das Publikum lacht, verhunzt damit den Schlussakkord und Domingo ist sichtlich stocksauer!

Eigenwillig: das Wetter

Nie wird der Veroneser Wetterbericht mit solcher Spannung verfolgt, wie zu Festspielzeiten. Leider handelt es sich um ein sehr gewitteranfälliges Gebiet – und die Wolken bleiben oft an den Tiroler Bergen hängen. Doch die Wetterlage ändert sich schnell. Hin und wieder kommt es zu Unterbrechungen der Vorstellung, denn beim ersten Regentropfen verschwinden die Musiker mit ihren empfindlichen Instrumenten aus der „Manege“. In Windeseile erweitern die fliegenden Händler ihr Sortiment um bunte Plastikcapes, die, von Tausenden getragen, ein sehr hübsches Bild ergeben. Bei Aida hatten wir mal einen Regeneinbruch – ausgerechnet in der Massenszene des Triumphmarsches. Wiederholt wurde abgebrochen, jedesmal sämtliche Chorsänger, Tänzer und Statisten von der Bühne runter und wieder auf die Bühne rauf. Am meisten Applaus bekam an diesem Abend ein Schwarzer mit Wischmopp, der vor jedem neuen Anlauf die Bühne für die Tänzer trockenlegte und den Zuschauern neue Hoffnung auf die Fortsetzung gab. Nur ein einziges Mal habe ich erlebt, dass eine Aufführung ganz isn Wasser fiel: Carmen. An diesem Abend war der Torrero eine Enttäuschung: alt und beleibt und er sang auch nicht besonders, der schwächste Stier hätte ihn sofort auf die Hörner genommen! Ob er seinen Kampf überstand, erfuhren wir nie – und spekulierten, dass sich dieses Mal Carmen bestimmt doch für José entschieden hätte …

Es war einmal: der Schwarzmarkt

Derzeit leidet das hochsubventionierte Festival von Verona wie der gesamte italienische Opernbetrieb unter radikalen Kürzungen des Kulturetats. Streiks wären der Alptraum für Veranstalter und Reiseunternehmer! Merkwürdig war übrigens langezeit die Vertriebspolitik des Festivals: Reiseveranstalter müssen ihre Kartenkontingente Monate im Voraus erwerben, konnten aber keine Tickets zurückgeben – so blühte der Schwarzmarkt. Die Restkarten mit möglichst geringem Verlust an den Mann zu bringen, war Aufgabe der Reiseleiter. Ein Problem war das nie, denn kaum war man im Hotel angekommen läutete das Telefon Sturm … Ich habe am liebsten an einen freundlichen älteren Herrn verkauft, der todsicher mit seiner Vespa auftauchte, sobald man bei der Busrundfahrt die ersten Runden drehte. Und die Gäste wunderten sich über die merkwürdige Gebärdensprache von Bus-Cockpit zu Vespa. Einmal bedankte unser Schwarzhändler sich bei uns mit einer Flasche Wein für den Busfahrer und (mir wollte er wohl keinen Alkohol schenken) einem kitschigen Wandthermometer für mich – damit konnte ich dann sehen, dass es in Verona tatsächlich 40°C waren. Seit einigen Jahren hat die Arena ihre Verkaufspolitik geändert und damit einem ganzen Wirtschaftszweig den Garaus gemacht.

Große Oper – und was sonst?

Eine Verona-Reise bedeutet: heiße Tage, durchgemachte Nächte und selbstverständlich auch noch Kulturprogramm, das sich aber bei Hirsch Reisen auf den Vormittag beschränkt. (Immerhin haben wir im Unterschied zu den meisten Busreisenden grundsätzlich ein Hotel in Verona und nachts keine lange Heimfahrt!)

Ein „Muss“ für jeden Verona-Touristen ist die „Gedenkstätte“ des berühmtesten Liebespaares der Stadt (wenn nicht der Welt!): Romeo und Julia! Zwar ist es ganz unmöglich, dass sich auf dem eleganten  Marmorbalkon im Hof des Palazzo der Capuleti die berühmte Balkonszene abgespielt hat – doch Shakespeare war ja bereits der siebte, der den Stoff literarisch verarbeitete. An Hörstationen kann man „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche …“ in allen erdenklichen Sprachen anhören. Im Hauseingang und an den Wänden haben sich Liebende aus aller Welt ewige Treue geschworen – früher in Form zahlloser Graffitis, derzeit sind Post-Its oder mit Kaugummi angeklebte Zettelchen in Mode. Im Haus Romeos ein paar Straßen weiter kann man übrigens gepflegt speisen.

Gleich gegenüber ragen die merkwürdigen Türme der Scaligeri-Grabmäler auf. Auf der Spitze als gerüstete Reiter die tyrannischen Herrscher des Mittelalters, die Feinde der Familie skrupellos beseitigten und auch vor innerfamiliären Mordserien nicht zurückschreckten. Sie hießen „Cangrande“ (großer Hund) oder „Mastino“ (Hetzhund) und brachten trotz anfänglicher politischer Erfolge die Stadt schließlich dermaßen gegen sich auf, dass sie ihre düstere Burg Castelvecchio mit einer Fluchtbrücke über die Etsch versahen. Diese kam schließlich zum Einsatz und die Stadt ergab sich den Mailänder Visconti, wurde später venezianisch.

Das merkt man gleich nebenan auf der Piazza die Signori, wo sich ans zinnenbewehrte Governo eine elegante venezianische Loggia anschließt. Das benachbarte Caffè Dante ist ein wunderbarer Platz zum „Spazierensitzen“. Durch einen Torbogen am Rathaus kommt man auf die Piazza delle Erbe mit vielen Straßencafés, wo der Blick leider durch die vielen Touristenbuden mit Kitschandenken „Made in China“ etwas verstellt ist.

Mit Abstand die schönste Kirche Veronas ist San Zeno etwas außerhalb des touristischen Zentrums. Die wunderbare romanische Fassade mit Reliefs und  Löwenbaldachin sowie der Kreuzgang schimmern im „rosso veronese“, wie der hiesige rosa Marmor heißt. Eine Sensation sind die Bronzetüren aus dem 11. und 12. Jh. an, die im Inneren vor der Witterung geschützt werden. Die Dynamik der vielen Szenen aus Altem und Neuem Testament ist erstaunlich! Mein Favorit ist die akrobatische Salomé, die vor Herodes einen Purzelbaum zu schlagen scheint. Ebenso berühmt ist natürlich Mantegnas Triptychon der Anbetung Mariens. Auch der Dom und Sant’Anastasia mit den Fresken Pisanellos lohnen den Besuch. Und unvergesslich ist der Panoramablick von der Wallfahrtskirche Madonna di Lourdes in den Weinbergen oberhalb Veronas auf die Altstadt und die Schleifen der Etsch.

Ein Ausflug führte uns stets in die Renaissancestadt Mantua inmitten der Seenlandschaft des Mincio – übrigens eine der reichsten Städte Italiens! Hier geht es erfreulich untouristisch zu. Arkadengesäumte, schöne Plätze reihen sich aneinander wie Perlen an einer Schnur. Vier Jahrhunderte lang herrschten die Gonzaga und taten sich als Kunstmäzene hervor. Im riesigen Palazzo Ducale zeugen Fresken, Tapisserien und Statuen von einstiger Pracht – obwohl die legendäre Sammlung der Isabella d’Este von ihren Nachfahren aus Geldnot verkauft werden musste. In Mantegnas „Camera degli Sposi” begegnet man dem Markgrafen Ludovico höchstpersönlich, sowie seiner Gattin Barbara von Brandenburg und der ganzen Familie nebst Höflingen, Pferden und Hunden. Die illusionistische Wirkung der Fresken ist verblüffend – vor allem das „Rundfenster“ in der Mitte der Decke: Noble Damen, pausbäckigen Putten und Tiere schauen über die Balkonbrüstung auf den Betrachter herunter. Danach ein kleiner Bummel durch den herzoglichen Park oder eine erfrischende Granita im Schatten der Arkaden und weiter geht’s, zurück in den Rummel von Verona zum nächsten Opernabend!

Mit Hirsch Reisen nach Verona