Ferrara? Wo liegt denn das?
20 000 FAHRRÄDER, 8 STÖRRISCHE ESEL UND IMMER WIEDER DIE ESTE
Ferrara, inmitten der Emilia-Romagna, liegt ein wenig vergessen im Schatten dergroßen Landeshauptstadt, la „Grassa“ Bologna (die Fette, die Reiche), und der vornehmen reichen Ferrari-Stadt Modena. Die Stadt ist heute fest in der Hand der 20 000 Studenten, die auf ihren Fahrrädern auf dem Weg zu ihren verstreuten Instituten den Fußgängern ganz schön in die Quere kommen.
Ferrara verdankt seine einstige Größe, seine bedeutende Rolle in Kunst und Politik in der Renaissance zwei Faktoren: Dem Po und den Este. Der Po, einst schiffbar bis zur Küste, war ein bedeutender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Aber es war Europas ältestes Adelsgeschlecht, die Este, das seit dem 13. Jh der Stadt zu Macht und Ansehen verhalf.
Noch heute fließt ein Nebenarm des Po um die trutzige Zwingburg der Este im Herzen der Stadt; und unterhalb der südlichen Stadtmauer kann man auf der Viale Volano dem Flußlauf des PO DI VOLANO folgen und von dort aus auf kleinen Schiffen einen Ausflug auf dem Po machen.
Ein Spaziergang durch Ferrara führt uns unweigerlich alle 100 m zu einem Gebäude oder Platz, die eng mit dem Namen der Herzöge der Este verbunden ist.
Als würfe noch heute das mächtige CASTELLO ESTENSE, gotische Verteidigungsfestung und Renaissanceschloß in einem seinen beschützenden Schatten über die Stadt, scheinen alle Straßen immer zum Kastell zu führen. Einst konnte von den intimen Gartenbalkonen des Kastells aus die Herrscherfamilie ihre ganze Stadt überblicken. Gotische Fresken in den Innenräumen mit dem Wappen der Este, prächtige Wandmalereien mit antikisierenden Allegorien sind die spärlichen Reste einstigen Glanzes der Residenz. Alles Tragbare an Kunstschätzen hatte sich nach der Vertreibung der Este der große Magen der Kirche einverleibt.
Unter den vielen Renaissance-Palästen der Herzöge ist wohl der PALAZZO DEI DIAMANTI (heute bedeutende Pinakothek) mit seiner strahlend weißen Fassade aus tausenden von Diamantquadern der imposanteste.
Im Bramante-Stil ließ im 15. Jh der Botschafter für die Este in Mailand den PALAZZO LUDOVICO IL MORO durch den genialen Hofarchitekten der Este, Rossetti, errichten, der heute die Sammlung griechischer Vasen des Archäologischen Museums beherbergt.
Selbst der mächtige romanisch-gotische DOM der Stadt verbeugt sich in seiner Fassade mit der Statue von Albert V. d´Este vor der Herrscherfamilie.
Im PALAZZO SCHIFANOIA (=Vertreibung der Langeweile), von den Herzögen für ihre großen Feste errichtet, ist es vor allem der einzigartige Freskenzyklus der Monatsbilder, der uns Glanz und Macht seiner Besitzer vor Augen führt. Auch der berühmte Palio ist hier dargestellt.
Der PALIO, das Pferderennen der Stadtteile Ferraras – „Contrades“– wurde von den Este 1259 eingeführt, also schon Jahrhunderte, bevor in Siena der berühmte Palio seine Geburtsstunde hatte. Anders als dort nehmen an dem Rennen – nach pompösem Einzug des Herzogs und seines Hofstaats und dem fahnenschwingenden Vorbeizug der Vertreter der Stadtteile – nicht nur die Pferde teil, sondern auch für die Knaben die Mädchen und die Esel der Stadtteile finden gesonderte Rennen statt. Wenn Sie einmal erleben möchten, wie man acht Esel – ohne Sattel – dazu bringt, gemeinsam in Reih und Glied- ohne Startbox- gleichzeitig zu starten, dann bringen Sie viel Zeit und Geduld mit! Ein köstliches Spektakel!
Nach dem Rennen sollte Sie in die alte Trattoria des 15. Jh „La BRINDISI“ einkehren, wo schon Tasso und Ariost speisten, und das berühmte Ferrara-Brot versuchen, das der berühmte Leibkoch der Este, Messisbugo im 15.Jh in der Riesenküche des Kastells kreiierte.
Versäumen dürfen Sie auch nicht einen Spaziergang auf den gut erhaltenen Bollwerken. Ferrara ist noch heute stolz auf seine Stadtmauern, die die Este in einem 9 km langen Gürtel um die Stadt ziehen ließen. Keinem Angreifer ist es je gelungen, sie zu überwinden. Nicht einmal der skrupellose Kriegsherr, Cesare Borgia, hat sich an die Eroberung Ferraras herangetraut. So mußte stattdessen der Einzug in Ferrara für seine Schwester, die berüchtigte Lucrezia Borgia, als Braut von Herzog Alfonso I. d´Este von Papa Papst Alexander Borgia für Unsummen erkauft werden.
Auf dem Rückweg zum Kastell liegt das St. Annen-Kloster, in dessen Zelle der geistig umnachtete große Dichter Torquato Tasso bis zu seinem Ende von den Herzögen gefördert und beschützt, seine letzten Jahre verbrachte.
So schließt sich der Kreis der Wirkungsstätten der Este in ihrer Stadt, die, wie Goethe bemerkte, nur durch ihre Herzöge lebte.
Mit Hirsch in die Emilia Romagna! Die Reisebeschreibung und Termine finden Sie auf www.hirschreisen.de