Fahrräder und Wikinger

Ich war noch nie Dänemark. Warum auch? Frankreich ist näher, Norddeutschland günstiger, in Polen gibt es mehr Historisches, in Norwegen mehr Fjorde. Aber meine Frau wollte durch Kopenhagen radeln. Und wir reisen gerne an Orte, an denen wir noch nie waren. Ein inspirierender Vorschlag zur Route findet sich im Hirsch-Reisebuch unter „Märchenhaftes Dänemark“.

Als Zwischenstopp auf der Anreise wählen wir Lübeck. Holsten-Tor, Buddenbrockhaus, Marzipan – alles da. Wir erhalten den Eindruck einer einst reichen Stadt.

Der Fehmarnbelt-Tunnel ist noch Baustelle, bleibt die Fähre. Eine entspannte Reisebusfahrt später sind wir in der „Trend-Metropole“ Kopenhagen (Zitat Hirsch-Reisebuch), bummeln über die Strøget, angeblich längste Fußgängerzone Europas, nach Nyhavn mit seinen bunten Giebelhäusern am Wasser. „Genau so habe ich mir Dänemark vorgestellt“, sagt die Tochter.

Lebe Deinen Traum: wir leihen uns Fahrräder. Die Fahrradwege sind breit, und es ist ein beeindruckender Anblick, in der morgendlichen Rush Hour einen nicht enden wollenden Strom von Fahrrädern an sich vorbeiziehen zu sehen (und so leise). Es sei denn, man möchte als Fußgänger die Straße überqueren. Wir erradeln die Sehenswürdigkeiten der Stadt, die preisgekrönten Fahrradbrücken gleich mehrfach, weil es so viel Spaß macht.

Die Wikinger sind an der Reihe. Mit dem Zug fahren wir nach Roskilde. Hier lernen wir, dass die erste Kirche von König Harald Blauzahn errichtet wurde (die Töchter kennen das nach ihm benannte Bluetooth). Der Dom ist einzigartig: älteste Kirche, bedeutendste Orgel, Grablege von 40 dänischen Königinnen und Königen … Selbst die lebendige Margrethe II. hat schon ihr Grab!

Aber wir wollten zu den Wikingern im „Vikingeskibsmuseet“. Es wurde um fünf originale Wikingerschiffe errichtet (ohne Schiffe – keine Wikinger, erfahren wir) und liegt direkt am Fjord. Wir erklimmen Schiffsnachbauten, bestaunen eine Schiffswerkstatt und schauen segelnden Schiffen zu. Sehr schön!

Zurück in Kopenhagen begeben wir uns mit einem Ausflugsboot aufs Wasser. Wir wundern uns über eine schwimmende Sauna und die originelle Perspektive auf die die Meerjungfrau fotografierenden Touristen.

Am nächsten Tag statten wir Schloss Christiansborg einen Besuch ab – Exekutive, Legislative und Judikative, vereint unter einem Dach, dazu das Oberste Gericht und die Empfangsräume des Königshauses. Overtourism gibt es in Dänemark nicht: wir gehen altmodisch und ohne anzustehen an den Schalter, kaufen unser Ticket und spazieren fast allein durch die repräsentativen Räume.

Nachmittags besuchen wir den gar nicht so großen Tivoli. Die Kinderaugen leuchten, der Geldbeutel stöhnt. Während die Damen die Fahrgeschäfte testen, probiere ich die Smørrebrød – kunstvoll belegte kleine Roggenbrote für schlanke 10,- Euro pro Stück.

Zeit für einen Standortwechsel: mit dem Zug durchqueren wir Seeland und fahren über den Großen Belt auf die Insel Fünen nach Odense. Prominenter Sohn und omnipräsentes Aushängeschild ist H.C. Andersen. Ihm und seinen Märchen ist ein eindrucksvolles Museum gewidmet. „Das von dem japanischen Architekten Kengo Kuma entworfene Museum verbindet Architektur, Natur und Erzählkunst auf einzigartige Weise.“ (www.visitodense.de) Die umliegenden Sträßchen wirken wie eine mittelalterliche Filmkulisse.

Den Morgen darauf besuchen wir Andersens Elternhaus. Die Wohnverhältnisse waren damals deutlich bescheidener. Wesentlich großzügiger sind die Räume in Brandts Kunstmuseum, wo wir uns 250 Jahre dänische Kunst zu Gemüte führen (und gleichzeitig durch die Fenster amüsiert die wilden Erstsemesterfeiern auf den Straßen verfolgen).

Nachmittags bummeln wir durch das moderne Hafenviertel und nehmen ein Bad im kostenlosen und sehr originellen kleinen Freibad im Hafenbecken.

Weiter geht es, mit dem Zug über den Kleinen Belt nach Jütland. Unser Ziel ist Arhus und das ARoS-Kunstmuseum mit dem spektakulären Regenbogenpanorama von Olafur Eliasson und dem riesigen „Boy“ von Ron Mueck.

Arhus hat mehr zu bieten als moderne Kunst: eine erst romanische, dann gotische „Domkirke“ zum Beispiel. Und ein hypermodernes Hafenviertel. Und einen Botanischen Garten, wo wir uns mit Morten von der dänischen Hirsch-Partner-Agentur treffen – vielen Dank für mittlerweile 25 Jahre gute Zusammenarbeit!

Nach 10 Tagen Kultur möchten die Töchter „chillen“ an der Nordsee. Der erste Zug ändert unvermittelt die Richtung, so dass wir uns ungewollt in einem kleinen Dorf wiederfinden. Der nächste Zug muss auf offener Strecke halten, weil eine Schranke kaputt ist. Der Anschlussbus wartet, bis er uns sieht, und fährt dann ab. Eine Stunde später dürfen wir mitfahren, aber zu dem Ort, zu dem wir möchten, fahren Busse „nur freitags“. Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch mit Gepäck kommen wir in Borkhaven an und haben uns das „Chillen“ verdient (das örtliche Wikingermuseum muss trotzdem besichtigt werden).

Zur Weiterreise vermittelt uns der örtliche Ladenbesitzer eine Fahrgelegenheit zum 10 km entfernten Bahnhof. Dort kommt tatsächlich ein Zug, und über Esbjerg fahren wir ins ehrwürdige Ribe. Die älteste Stadt Dänemarks entpuppt sich als mittelalterliches Bilderbuchstädtchen mit einem interessanten Wikingermuseum – und dem ältesten Hotel Dänemarks, in dem auch die Hirsch-Gäste wohnen.

Ribe ist der letzte Ort unserer Dänemarkreise. Über Tønder, Niebüll und Husum fahren wir nach Kiel und sehen dort zum ersten Mail ein AIDA-Kreuzfahrtschiff und die gewaltigen Fähren der Stena und Color Line. Der ICE bringt uns von Kiel direkt zurück nach Karlsruhe.

Stefan Simonis (links, mit HC Andersen) fand, neben der Geschichte der Wikinger, vor allem den dänischen Alltag interessant – unaufgeregte Menschen, die sich rücksichtsvoll an alle Verkehrsregeln halten, maximal 37 Stunden die Woche arbeiten und freiwillig gerne Steuern zahlen.

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