Ein Ausflug nach Metz

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Centre Pompidou Metz: Avantgarde in der Provinz

Es soll die lothringische Metropole in ein neues Kunstmekka verwandeln: das Centre Pompidou-Metz. Im Mai 2010 wurde das spektakuläre Gebäude des japanischen Architekten Shigero Ban eröffnet. Auf über 5000 m² Ausstellungsfläche präsentiert der „Ableger“ in der Provinz 800 Kunstwerke aus der überreichen Sammlung des Pariser Mutterhauses. Das wollten wir sehen! So entschlossen wir uns spontan zu einem Ausflug nach Frankreich. Übrigens: Auch Hirsch Reisen bietet in diesem Jahr Kurzreisen nach Metz an.

Die Karlsruher haben es wirklich gut: eben mal über den Rhein – und schon sind sie in Frankreich! Für uns aus Tübingen dauert die Anreise etwas länger. Zusammen mit unserem 3-jährigen Sohn Jan starten wir früh am Morgen und erreichen bei grauem Himmel und wenig frühlingshaften Temperaturen das Elsass. Auf kleinen Landstraßen fahren wir über Haguenau und Saverne durch die Vogesen in Richtung Metz. Ich war seit Jahren nicht in Frankreich und genieße die weite Landschaft, die typischen Ortsdurchfahrten und bringe Jan „bonjour“, „au revoir“ und „merci“ bei.

Wir hören die unvermeidlichen Kinderlieder-CDs und etliche Folgen vom „Kleinen roten Traktor“. Der passt immerhin zum sehr ländlichen Lothringen, das wir nun auf einsamen Landstraßen durchqueren. Wolfgang wird langsam nervös, da weit und breit keine Tankstelle in Sicht ist … Mittags erreichen wir Metz, fahren gleich mittenrein und parken direkt an der Kathedrale. Jetzt müssen wir erstmal einkehren. Die Kunst kann warten.

Metz lohnt sich!

Die meisten Frankreich-Reisenden lassen Metz auf der Route gen Paris einfach links liegen – sehr zu Unrecht, wie wir wieder einmal feststellen! Wie die großartige Kathedrale sind auch die Häuser der Altstadt aus dem warmen, honiggelben Jaumont-Kalkstein gebaut. Die „Porte des Allemands“ ist ein Überrest der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die zahlreichen Bauwerke der Bismarckzeit erinnern an die spannungsreiche Geschichte. An den begrünten Ufern von Mosel und Seille könnte man bei Sonnenschein wunderbar spazieren. Wir steuern lieber die Place St-Jacques an, wo wir „Chez Grégoire“ leckere Quiche Lorraine und ein Gläschen Weißwein genießen – letzteres für sage und schreibe 1 Euro!

Dann ist ein Abstecher zum nächsten Spielplatz (für Jan und Papa) und in die nächste Buchhandlung (für Mama) angesagt. Ein Blick in die Kathedrale St-Etienne muss auch noch sein: Die herrlichen Glasfenster aus allen Epochen der Kunstgeschichte darf man sich nicht entgehen lassen! Jan findet es „etwas unheimlich“, daher erledigen wir diesen Programmpunkt im Schnelldurchgang, steuern gleich die Fenster von Marc Chagall an, unter denen eine deutsche Reisegruppe den etwas eigenwilligen Ausführungen ihrer Reiseleiterin lauscht.

Moderne Kunst unterm „Chinesenhut“

Nun wird’s aber Zeit für unser eigentliches Ziel: Das Centre Pompidou. Das „Amphitheater-Viertel“ zwischen Bahnhof und Seille-Ufer ist zum großen Teil noch Baustelle. Zwischen Bauzäunen und Kränen wirkt das Gebäude mit seinem weiß strahlenden, wellenförmigen Dach etwas befremdlich: „Ein Riesentuch, das ein Alien mit leichter Hand aus dem All hat fallen lassen und das eine Sekunde vor dem Kontakt mit der Erde erstarrte“ – so beschrieb die FAZ das neue Centre Pompidou-Metz und hat Recht damit! Die filigrane Dachkonstruktion Shigeru Bans aus 18 km Holzbalken und einer 8.000m² großen Textilmembran ist vom Rohrgeflecht eines chinesischen Hutes inspiriert.

Das 70-Mio-Euro-Projekt reiht sich ein in die Tradition, ist doch das Mutterhaus in Paris eine Ikone der Architektur: Kaum ein Pariser Großprojekt hat solch kontroverse Diskussionen ausgelöst wie 1977 Renzo Pianos Centre Pompidou („Ölraffinerie“, „Notre Dame der Röhren“). Der „Chinesenhut“ birgt eine hohe Eingangshalle mit gläsernen Aufzügen in drei übereinander gelagerte Galerien. Sehr wirkungsvoll sind die Spiegel an der Decke der „Grande Nef“, die einen von oben in die Galerien „spicken“ lassen und schon Vorfreude auf die großformatigen, farbenfrohen Delaunays machen. Auf den tollen Blick auf Metz aus der 3. Galerie müssen wir heute verzichten – zurzeit geschlossen.

Die Eröffnungsausstellung „Chefs-d’oeuvres?“ widmet sich dem Begriff des Meisterwerks quer durch die Kunstgeschichte, von der klassischen Moderne bis zur Gegenwart, und bietet einen hervorragenden Überblick über die großen Avantgarden – Expressionismus, Fauvismus, Kubismus, Dadaismus, Surrealismus. 800 Werke verschiedenster Disziplinen – Malerei, Bildhauerei, Film, Installationen und Design – gilt es zu bestaunen. Alle großen Namen sind vertreten – und geben einen kleinen Eindruck von den gewaltigen Beständen des Centre Pompidou in Paris, die rund 59.000 Werke umfassen. Bonnard, Derain, Giacometti, Braque und Picasso, Delaunay und Leger, Miró, Mondrian und Paul Klee, schließlich Zeitgenössisches von Jackson Pollock, Andreas Gursky oder Louise Bourgeois – ganz unmöglich, alles zu beschreiben!

Vom Gipsabdruck von Balzacs Morgenmantel, den Auguste Rodin für die seinerzeit schwer umstrittene Statue des Romanciers benutzte, kommen wir zu den farbenfrohen Scherenschnitten von Matisse. Dann folgt ein Abstecher zum Kunsthandwerk der Region: Den gigantischen Kristallleuchter würde Jan gerne für sein Kinderzimmer haben. Unser kleiner Sohn ist erstaunlicherweise kreuzbrav und vor allem an Skulpturen und Installationen interessiert: Der goldene Kopf von Brancusis „Schlafender Muse“ gefällt ihm gut, auch die tanzende Josephine Baker aus Draht von Alexander Calder, die tollen Schatten wirft. Die rotierenden Kreisel des Dada-Künstlers Marcel Duchamp und das auf einen Hocker montierte Fahrrad-Rad haben es ihm ebenso angetan wie Césars „Compression Ricard“, ein gepresster Block Autoschrott. Das alles wird getoppt von einer Strand-Installation aus den 70ern (ich hab vergessen, von wem) mit Original Juke-Box, die man sogar bedienen darf. Jan tanzt im Museum.

Genussvoller Ausklang

Nach erfolgreichem Museumsbesuch verlassen wir Metz und machen uns auf die Suche nach einem Quartier für die Nacht. Gar nicht so einfach in der Ostlothringischen Provinz! Es wird schon dunkel. Selbst in Sarrebourg mit seinem wunderbar beleuchteten, riesigen Chagall-Fenster in der Chapelle des Cordeliers (die Hirsch-Gruppe macht hier bei Tag Halt!), werden wir nicht fündig. Erst in Phalsbourg kurz vor Saverne haben wir Glück: Ein reizendes Kleinstädtchen, am großen Marktplatz liegen Kirche, Rathaus – und ein Hotel! Wunderbar französisch-altmodisch, mit Goldrahmen, Kronleuchtern, dicken Teppichen, rotem Plüsch und ein ganz kleines bisschen muffigen Zimmern. Und vor allem: vorzüglichem Essen! Selbst Jan wird nochmal munter und lässt uns gnädig unser Menü genießen. Die angebrochene Weinflasche nehmen wir mit auf Zimmer, wo unser Sohn bald friedlich zwischen uns schnarcht …

Das nostalgische Hotel Erckmann-Chatrian (der Name erinnert an ein lothringisches Autorenpaar aus dem 19. Jh.) war ein echter Glückstreffer!

phalsbourg-marktAm nächsten Tag spazieren wir, frisch gestärkt vom gemütlichen Frühstück, über den Markt, decken uns in der Bäckerei nebenan mit knuspriger Baguette und Croissants ein, im nahen Supermarkt mit französischem Käse. Bei dichtem Nebel fahren wir über den Col de Saverne, und machen in Saverne Halt, um das von Goethe gelobte Rohan-Schloss und das berühmte Haus Katz zu sehen. Letzte Etappe ist das elsässische Traditionslokal „Au Boeuf“ im Töpfer-Ort Soufflenheim. Jan will nochmal „Speckkuchen“. Bekommt er. Dann heißt es: Au Revoir!

Hirsch Reisen bietet 2011 Dreitagesfahrten nach Metz und ins barocke Nancy an. Nächster Reisetermin:

https://www.hirschreisen.de/reiseziele/frankreich/lothringen/