Die Staufer und … Umbrien!

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Wer die in diesen Tagen in Mannheim zu Ende gehende Ausstellung über Zeit und Welt der Staufer gesehen hat, konnte ein weiteres Mal in eine faszinierende, im Umbruch befindliche mittelalterliche Kultur eintauchen, die teils bereits befremdlich neuzeitlich wirkt.

Ihre einzigartige Entwicklung prägten, neben günstigen geographischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, entscheidend auch menschliche Einzelschicksale, von denen die Kaiser Friedrichs II. oder der Heiligen Elisabeth von Thüringen sicher besonders emblematisch sind.

Tatsächlich trug die Mannheimer Schau im traditionellen Wechselspiel Deutschland-Italien jedoch der Mitte der Apenninhalbinsel in keinster Weise Rechnung, obwohl gerade sie bereits sehr früh in den Brennpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Papst- und Kaisertum geriet und bald, spätestens jedoch mit dem Ende der Stauferdynastie, Paradebeispiel der kirchlichen Expansionspolitik wurde. Vor allem die Markgrafschaft Tuscien (Gebiete der heutigen Toskana und Emilia-Romagna), mit der berühmten Regentin Mathilde, und das Herzogtum Spoleto (Regionen Marken, Umbrien und Abruzzen), einst Gründung der langobardischen Herrscher Italiens, müssen hier Erwähnung finden.

Wie enorm ihre Bedeutung auch und gerade für die Staufer war, zeigt eindringlich der Bau der einzigen norditalienischen Festung Friedrichs II. im toskanischen Prato, aber auch der Geburtsort des Herrschers selbst, nicht etwa auf Sizilien, sondern in Jesi, einem kleinen Städtchen in den mittelitalienischen Marken. Im nahegelegenen umbrischen Assisi soll Fredericus dann, laut nicht ganz sicherer Quellenlage, einen Teil seiner frühen Kindheit verbracht haben, vielleicht sogar im dortigen Dom getauft worden sein, am selben Taufstein, an dem bereits wenige Jahre zuvor die Eltern von Franz von Assisi mit ihrem Sohn gestanden hatten.

Zeitliche Parallelen im Wirken des Begründers des weltberühmten Bettelordens einerseits und dem „Stupor Mundi“ aus dem Hause Hohenstaufen andererseits gibt es viele, auch wenn die beiden sich im wirklichen Leben wohl nie persönlich begegnet sind. Bishin zu Beginn und Ende beider irdischer Existenz: Franz ging aus einer Kultur der sozialen Oberschicht hervor, der das Spannungsfeld zwischen Papst und Kaiser mit blutigen Städtefehden ebenso geläufig war wie der Wunsch einer Kreuzzugsteilnahme; Friedrich, der offensichtlich mehrmals auch für die Franziskaner Partei ergriff, ließ sich auf ausdrücklichen Wunsch noch auf dem Sterbebett ins mittelalterliche Mönchsgewand kleiden.

Franz von Assisi, die Hl. Klara, die schon erwähnte Elisabeth von Thüringen (deren Bild nicht von ungefähr auch in der Unterkirche der Basilika von San Francesco in Assisi festgehalten ist), Antonius von Padua und der Hl. Domenikus – sie alle stehen an der Wende vom 12./13. Jh., praktisch zeitgleich mit Friedrich II. , für einen enormen Umbruch im religiösen Denken der Menschen, einer echten Verweltlichung des Glaubens, dem Wunsch nach größerer persönlicher Hingabe und geringerem materiellen Streben. Kaum in einer anderen Region Europas kommt man dieser Paarung von Mystik und Realitätsbewusstsein der Geburtsstunde der Bettelorden dabei heute noch so nahe wie in Umbrien, ja fast hat man das Gefühl, die gesamte Region „atme“ Glauben, aber einen keineswegs aufgesetzten, sondern den authentischen, dem sich selbst der erklärte Atheist kaum zu entziehen vermag.

Nicht nur in den Kirchen von Assisi, Gubbio und dem benachbarten toskanischen Arezzo und auf den Straßen und Plätzen der beschaulichen umbrischen Bergstädtchen erinnert viel an Franz und Klara, auch in den Gemäldesammlungen der Nationalgalerie Umbriens in Perugia oder des Diözesanmuseums von Spoleto ist ihr ebenso kurzes wie intensives Leben Gegenstand zahlreicher Werke, wie beispielsweise ein zärtliches Spoletiner Marienbild, bei dem das Christuskind eine franziskanische Mönchskutte trägt.

Dieser teilweise fast intimen und in jedem Fall sehr volksnahen Atmosphäre gegenüber wirken die Hinterlassenschaften der offiziellen Machthaber des mittelalterlichen Umbrien geradezu als bombastische Fremdkörper, als Stein gewordene Vertreter einer meist aufgezwungenen und selten friedlichen Ordnung. Wer einmal die gewaltigen Mauern der weithin sichtbar errichteten Festungen von Spoleto oder Perugia geschaut hat, kann besser nachvollziehen, warum die Päpste sich seit dem Vormund Friedrichs II., Innozenz III., mit einem sehr weltlich-autoritären Titel gern als „vicarius Christi“ bezeichneten; Sinnbild innerkirchlicher Machtauseinandersetzungen und zugleich Apotheose päpstlicher Frömmigkeit ist die goldgleißende Fassade des Domes von Orvieto. Demgegenüber kündet der niedergebrannte und teils von ihm selbst im Wiederaufbau mitfinanzierte Dom von Spoleto vom unerbittlichen (wenn auch historisch üblichen) Zerstörungseifer Friedrich Barbarossas, war die hoch über Assisi gelegene Burg einer der letzten von den Staufern erbittert gehaltenen Bollwerke im Kampf gegen den Papst.

Vermutlich im vergangenen Jahr (als Datum werden verschiedentlich 1209 oder 1210 genannt) jährte sich die Gründung des Franziskanerordens zum achthundertsten Mal, in diesem Jahr oder spätestens 2012 (auch hier ist die Quellenlage nicht ganz eindeutig) feiert man den 830. Geburtstag Franz von Assisis. Vielleicht ein Grund mehr der Region, die sein Leben und Wirken so entscheidend beeinflusst hat, einen intensiveren Besuch zu gönnen. Nicht versäumen sollte man in diesem Zusammenhang auch die sehenswerte Ausstellung „Franziskus Licht aus Assisi“ im Diözesanmuseum von Paderborn, die dort im kommenden Winter zu sehen sein wird.

Nächstser Reisetermin: https://www.hirschreisen.de/reiseziele/italien/umbrien/