Der Freischütz in Bregenz

2025 kehrt der Gruselfaktor auf die Seebühne zurück! „Der Freischütz“ ist die romantische Oper schlechthin. Ein dunkler Wald, eine große Liebe, Geisterzauber und tragische Wendungen – perfekte Zutaten für ein Schauermärchen, das Philipp Stölzl unwiderstehlich spannend inszeniert. Hirsch Reisen bietet gleich mehrere Reisetermine an – mit Übernachtung in Bregenz. Reiseleiterin Birgit Krämer war in der letzten Spielzeit dort und berichtet von ihren Eindrücken.

Der Teufel steckt im Detail. Und auch das große Ganze lenkt er, wie es ihm gefällt: Im Bregenzer „Freischütz“ hält der Teufel in Gestalt des „Samiel“ alle Fäden in der Hand. Nicht erst in der finsteren Wolfsschlucht begegnen wir ihm, sondern er ist von Anfang an auf der Seebühne präsent und führt als Conférencier durchs Geschehen. Und das beginnt ungewohnt düster: Max, der Mann, der seine Braut ermordet hat, schaufelt sein eigenes Grab, bevor er von wütenden Dorfbewohnern gehängt wird. Kenner der Oper reiben sich da verwundert die Augen: Wie bitte? Warum denn das?

Das erzählt uns der hinterlistige Samiel in einer großen Rückblende. Und ich fasse es jetzt mal kurz und knapp zusammen:

Worum geht’s?

Max liebt Agathe, die Tochter des Erbförsters. Und Agathe liebt Max. Leider will es der Brauch, dass der beste Schütze Agathe zur Braut erhalten soll – und Max ist da völlig talentfrei. So geht er in seiner Not einen Pakt mit dem Teufel ein! Zusammen mit dem durchtriebenen Kaspar begibt er sich um Mitternacht in die Wolfsschlucht, um dort „Freikugeln“ zu gießen, die ihr Ziel niemals verfehlen. Was Max nicht weiß: Sechs der verfluchten Kugeln treffen, die siebte aber lenkt der Teufel (also Samiel) dahin, wohin er will. Während Agathe sich mithilfe ihrer Brautjungfern schmückt und ausstaffiert, verpulvert der übermütige Max mit seinen Kumpanen fast seine komplette Munition – bis nur eine letzte Kugel übrigbleibt. Und die trifft, von Samiel ferngesteuert, seine Braut. 

Doch so tragisch konnte Carl Maria von Weber seine Oper 1821 unmöglich enden lassen! Anders als in der literarischen Vorlage, die ihn inspiriert hatte (eine Schauergeschichte von August Apel), führte der Komponist daher eine überraschende Wendung ein: Ein frommer Eremit taucht urplötzlich auf, erweckt Agathe wieder zum Leben und mildert das Urteil gegen den betrügerischen Schützen in ein Happy End.

Nun ja. Um Glaubhaftigkeit hat sich das Operngenre ja noch nie Gedanken gemacht, denke ich mir. Ich kann es gut verstehen, dass dieses leicht verkrampfte Ende dem Bregenzer Regisseur Philipp Stölzl offenbar nicht so recht war. In seiner Inszenierung kommt er auf die Ursprungs-Story zurück, die der Verführung durch das Böse und dem Dämonischen die große Bühne bereitet und die tragische Verurteilung des naiven Max als Ausgangspunkt nimmt. So bekommt das Bregenzer Publikum beide Varianten zugleich geboten. Und durch eine Menge schlauer Einfälle viel Stoff zum Nachdenken.

Wetterwarbung am Eingang zu den Zuschauerrängen und zur Seebühne Bregenz
Die Tribünen sind tagsüber frei zugänglich. Am Abend sollte auch die Natur mitspielen …

Wir blicken hinter die Kulissen

Auch für das Bühnenbild zeichnet Philipp Stölzl verantwortlich. Er kommt vom Film, und das merkt man seinen effektvollen Inszenierungen an. Es entführt uns in ein elendes Dorf am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Halb verfallen scheinen die windschiefen Häuser im Morast zu versinken. Mich erinnern sie stark an Hogsmeade aus „Harry Potter“ (ebenso die Geisterpferde, die später auftauchen). Der Wald ist tot. Ein bleicher Mond beleuchtet die gespenstische Winterlandschaft.

Bei unserer Backstage-Führung am Nachmittag dürfen wir über diese holprige Schneelandschaft klettern. Gar nicht so leicht, auch für die Darsteller, denke ich. Wir erfahren, wie die ausgeklügelte Tontechnik funktioniert, wo überall Lautsprecher versteckt sind, welche Wege die Sänger, Statisten und Stunt-Leute zurücklegen. Und wie so ein aufwendiges Bühnenbild überhaupt entsteht, vor Ort zusammengesetzt und von zahllosen Handwerkern vollendet wird.

Dass die Bühne in dieser Spielzeit nah an das Publikum herangerückt ist, quasi direkt an die Zuschauerränge anschließt, hat einen praktischen Grund: Der Betonkern, der die Kulissen, die Technikräume, Garderoben und so weiter trägt, wird saniert – und zwar während der Aufbau-, der Proben- und der Festspielphase. Gäste, die schon in Bregenz waren, werden auf den super Plätzen, die Hirsch immer reserviert, also viel näher am Geschehen sein. Und weil der Wasserstand in den letzten Jahren so sehr schwankte, wurde vor den Hogsmeade-Häuschen ein künstlicher See für zuverlässigen Tiefgang geschaffen.

Dass uns ein spannender Abend bevorsteht, das merken wir schon hinter den Kulissen: Da trocknen zum Beispiel unheimliche Zombie-Masken auf einem Wäscheständer. Die gehören zu den Wasserleichen, die in der Wolfsschlucht aus den Tümpeln kriechen werden, erfahren wir.

Wir schauen in die VIP-Lounge und in den Saal des Festspielhauses, wo am Abend das Orchester, die Wiener Symphoniker, und der Chor ihren Platz haben und nach draußen übertragen werden. Fun Fact: Carl Maria von Weber war es, der den Taktstock für Dirigenten einführte und statt des damals üblichen Durcheinanders im Orchester die bis heute gültige Sitzordnung erfand (Bläser und Pauken hinten, Streicher vorne). Der Bregenzer Dirigent wird für die Sänger draußen auf Monitore übertragen.

Das Ungeheuer vom Bodensee

Das Wetter hat es im vergangenen Jahr gut mit uns gemeint. Wie schön das ist, wenn uns auf dem Weg zur Vorstellung der Sonnenuntergang über dem See begleitet! Ich liebe diese Atmosphäre. Abendstimmung mit Pfänderblick, 7000 gespannte Zuschauer, auf der Bühnenlandschaft bewegen sich bereits einzelne Statisten, Enten quaken, einige Ruderboote halten respektvollen Abstand.

Uferpromenade Bregenz mit Pavillon bei untergehender Sonne
Abendstimmung am See

Und dann geht’s los. In einem Rutsch, ohne Pause. Das Publikum ist gleich gebannt. Alles sehr atmosphärisch: wabernde Nebel, knackendes Eis, krächzende Vögel. Ungewohnt ist für mich, dass sich gesungene Partien und gesprochenen Dialoge abwechseln. Der „Freischütz“ ist tatsächlich eher ein Singspiel als eine Oper. Und die Texte wurden teils modernisiert, teils sogar ganz neu geschrieben. Das ist freilich Geschmacksache – und gibt Anlass zu Diskussionen im Hirsch-Bus am nächsten Tag. Auch ich hätte auf einige Zugeständnisse an den „woken“ Zeitgeist gut verzichten können. Doch es gibt auch sehr originelle Ideen, mit denen es gelingt, das Verstaubte dieser Oper abzuschütteln und so manches ironisch zu brechen. Etwa was das Frauenbild betrifft oder die Hochzeitsbräuche: Der Chor der Jungfrauen wie aufgezogene Automaten oder das kitschige Hollywood-Wasserballett lassen mich ein wenig an die moderne Selbstinszenierung bei Hochzeiten und feucht-fröhliche Junggesellinnen-Abschiede denken. 😉

Wie auch immer – die herrliche Musik Webers ist geblieben. Darunter einige echte Hits: „Durch die Wälder, durch die Auen“, der „Jägerchor“ oder „Wir winden dir den Jungfernkranz“ – Dauerbrenner in Wunschkonzerten seit 200 Jahren. So schön gesungen! Bregenz ist immer auch eine Freude für die Ohren.

Plakat-Ausschnitt Freischütz mit Samiel und Seeungeheuer
Plakatausschnitt der Wolfsschlucht-Szene

Spoiler-Alarm! Ich muss doch kurz zurückkommen auf den absoluten Höhepunkt, die Wolfsschlucht-Szene. Der Wahnsinn, wie sich der Teufel Samiel auf seinem riesigen Seeungeheuer erhebt! Das hat mich bei jedem Besuch wieder umgehauen. Mehr will ich aber nicht verraten – nur noch, dass nicht alles so gruselig ist, schließlich gibt es auch ein wenig Märchenkönig-Kitsch …

„Bregenz – das ist Oper für alle!“

Nach der eher reduzierten, intimen, gefühlvollen Inszenierung der “Madame Butterfly” in den Vorjahren trumpft Bregenz also wieder mit ganz großem Drama auf. Diese moderne „Freischütz-Fantasy“ ist vermutlich nichts für Puristen und wurde auch von manchen Feuilletons eher kritisch betrachtet – aber sie ist ein tolles Spektakel mit herrlicher Musik. Ich lasse hier am besten den Regisseur Philipp Stölzl selbst zu Wort kommen, der sagt: „Bregenz – das ist Oper für alle! Ich mag es, wenn Leute kommen, die das Stück noch gar nicht kennen.“ Oper ist in Bregenz eben kein elitäres Event für Eingeweihte.

Schluss-Applaus beim Freischütz auf der Bregenzer Seebühne
Das Spiel ist aus. Vorne die Badenixen und der Schlitten des “Kini”

Und sonst?

Klar, die Oper auf dem See steht ganz im Mittelpunkt unserer Reise. Doch auch den Hin- und Rückweg gestalten wir abwechslungsreich – soweit es die Verkehrslage erlaubt. Den ersten Blick auf den See erhaschen wir auf unserer Anfahrt von der Terrasse der Wallfahrtskirche Birnau bei Überlingen. In Bregenz stimmt uns die Bühnenführung auf das Opernerlebnis ein. Dank unserer komfortablen Stadthotels benötigen wir keine weiten Transferfahrten. Sehr angenehm. Auf der Heimreise folgen wir dann dem Schweizer Ufer und machen Rast im schönen Konstanz, um dort unseren See-Aufenthalt ausklingen zu lassen – wer will, bei einem geführten Spaziergang zum Münster. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf den Festspiel-Sommer 2025 und auf das Wiedersehen mit Samiel, dem naiven Max, der treuen Agathe und dem lieblichen Bodensee! Sind Sie dabei?

Birgit Krämer in Bregenz

Zur Autorin:
Dr. Birgit Krämer liebt die Musik und begleitet Bregenz-Fahrten schon seit vielen Jahren. Beim “Freischütz” gefällt ihr die Idee, den teuflischen Samiel als Regisseur des Geschehens auftreten zu lassen. Zu ihren Favoriten am See gehört “Rigoletto” (2021), ebenfalls von Philipp Stölzl inszeniert. Bei der Bühnenführung in der weißen, aber heißen Schneelandschaft war sie froh um ihre Sonnenbrille.
😉

Mehr zu unseren Bregenz-Reisen können Sie gleich hier lesen!

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