„Das Land, wo die Zitronen blühn“

Auf Sizilien treffen sich Orient und Okzident

Die Zitronen brachten die Araber mit. Außerdem religiöse Toleranz und eine kluge Verwaltung. Ausgerechnet die Normannen sorgten für eine herausragende kulturelle Blüte. Friedrich II. machte den Hof von Palermo zum Zentrum der Künste und Wissenschaften. Und Goethe kam, um das Erbe der Griechen zu studieren. Sizilien gleicht einem multikulturellen Puzzle. Doch nicht nur für Kulturtouristen ist Italiens größte Insel ein lohnendes Ziel. sizilien1 „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: Hier ist erst der Schlüssel zu allem“, notierte Johann Wolfgang von Goethe in seiner Italienischen Reise. Was er so sehnsüchtig suchte, war die griechische Kultur, „Magna Graecia“ auf süditalienischem Boden. In der Tat gibt es kaum einen besseren Ort als Sizilien, um die Tempelbaukunst der Griechen zu studieren, ob in Selinunt, Segesta oder Agrigent, dessen Concordia-Tempel zu den besterhaltenen überhaupt gehört. Die steinernen Giganten des mächtigen Zeus-Tempels liegen am Boden. Doch die antiken Prachtbauten heben sich vor der modernen Skyline noch immer majestätisch ab. Im 8. vorchristlichen Jahrhundert besiedeln nach den Phöniziern Griechen die Insel. Syrakus steigt zur glanzvollen Metropole auf ‒ eine antike Millionenstadt, größer als Athen. Aischylos bringt hier seine Dramen auf die Bühne. Der Mathematiker Archimedes läuft „Heureka!“ rufend durch die Straßen, nachdem er in das Prinzip vom Auftrieb der Körper entdeckt hat. Allein die riesigen Steinbrüche mit ihren über 20 m hohen Stollen zeugen vom antiken Baueifer. Wie wichtig den griechischen Baumeistern der Einklang mit der Natur ist, zeigt sich nirgends so deutlich wie im Theater von Taormina. Vor den Sitzrängen öffnet sich das einzigartige Panorama mit Ätna und dem glitzernden Meer: Die Natur selbst ist das großartigste Bühnenbild. Das hat auch Goethe gefallen!

Arabische Blüte und kultivierte Normannen: Sizilien im Mittelalter

Auf Sizilien reist man wie durch ein offenes Geschichtsbuch. Blättern wir ein wenig weiter! ‒ Um die Jahrtausendwende kommt es zu einem spektakulären Machtwechsel: Der byzantinische Statthalter ruft im Zwist mit dem Kaiser den Emir aus dem tunesischen Kairuan zu Hilfe. Die Araber kommen um zu bleiben ‒ im Gepäck Dattelpalmen, Reis und Zitronenbäume. Ihre Bewässerungstechnik und Salinen bringen Aufschwung und Wohlstand. Unter ihrer Herrschaft erblüht Palermo (Balem). Schon sie errichten den späteren „Normannenpalast“, noch heute spürt man im Getümmel der soukartigen Märkte einen Hauch von Orient. In kürzester Zeit machen die Araber die Insel zur reichsten Gegend des Mittelmeers, bis sie sich ihrerseits zerstreiten. Diesmal ergeht ein Hilferuf an die Normannen, die schon eine Weile in Süditalien herrschen. Unter Roger I. bringen die aus Frankreich stammenden Wikingersöhne die Insel unter ihre Kontrolle. Und die „Haudegen“ aus dem Norden schaffen ein blühendes Königreich, übernehmen Verwaltung und Steuersystem von den Arabern, ebenso die Glaubensfreiheit. Roger II. leitet 1130 ein goldenes Zeitalter ein, an seinem Hof gehen Gelehrte aus Ost und West ein und aus. Und eine neue Kunst entsteht: Die normannischen Kirchen und Paläste sind ein einzigartiger Mix aus östlichen und westlichen Stilelementen, außen schlichte Romanik, innen leuchtende Mosaiken, griechisch anmutende Säulen und arabische Deckenkonstruktionen. Die Capella Palatina, die Normannendome von Monreale und Cefalù ziehen Besucher noch heute in ihren Bann. Nach gut 100 Jahren erlischt das Normannenreich des Südens. Der legendäre Staufer Friedrich II. tritt das Erbe an, und obwohl geboren und begraben in Palermo, verlagert sich der Schwerpunkt nun aufs Festland, nach Apulien. Siziliens glanzvollste Zeit ist zu Ende. Über allem herrscht der Ätna Um ihn kommt kein Sizilien-Besucher herum: Der 3350 m hohe Ätna ist der höchste Vulkan Europas und bis in den Mai schneebedeckt. Seine Lava schuf fruchtbare Landschaften. In seinem Schatten gedeihen Mandarinen, Pfirsiche, Mandeln, Feigen, Pistazien und Oliven. Bis auf 1000 m wächst der schwere Ätna-Wein. Der Aufstieg zu den brodelnden Kratern ist der Höhepunkt der Wanderreise. Durch Kiefern- und Kastanienwälder, über bizarre Lavaströme vergangener Jahrhunderte. Üppige Vegetation wechselt mit schwarzer Mondlandschaft. Im Hochtal Valle del Bove östlich des rauchenden Zentralkraters weideten noch im 19. Jahrhundert die Ochsen. Dann kamen Asche und Lava, auch in jüngster Zeit immer wieder. Weit schweift der Blick über die Gipfelkrater, die Küste und die Ebene von Catania, der nahen Barockstadt aus Lavastein. Auch an den Küsten mit ihren verlockenden Badestränden lässt es sich hervorragend wandern, vor allem aber im unbekannten Inselinneren. Vier Fünftel Siziliens sind Berg- und Hügelland. Schon die Römer bauten die Insel zur Kornkammer aus, was sie bis heute ist. In den 1980er Jahren wurden einige Naturparks geschaffen, etwa in den Madonien, einem verwitterten Kalk- und Dolomitgebirge im Hinterland von Cefalú, in dessen artenreichen Wäldern sogar eiszeitlichen Stechpalmen überdauert haben. Eindrucksvoll auch die Schlucht von Pantalica: Hunderte von Grotten, Gräbern und Felskirchen wurden in die steilen Wände gehauen und starren wie dunkle Augenhöhlen aus dem Fels, dazwischen Oleander, Farne und Feigenbäume ‒ eine Gräberstadt in wildromantischer Landschaft.  Alle aktuellen Reisen nach Sizilien finden Sie hier https://www.hirschreisen.de/reiseziele/italien/sizilien/