Advent in Aachen

Aachener Rathaus

Aachener Rathaus

Der Zufall wollte es, dass ich am 1. Adventswochenende 2012 die Gelegenheit bekam, eine Reise nach Aachen und Köln zu begleiten. Es wurde ein wunderbares langes Wochenende!

Die Anfahrt allerdings war wenig vielversprechend. Grau und trüb war es den ganzen Vormittag, Schneegestöber begleitete uns durch Hunsrück und Eifel, wo Vulkankegel die Autobahn säumen.„Der nächste Vulkanausbruch in Deutschland findet garantiert in der Eifel statt!“ schreibt der Krimiautor Jacques Berndorf. Tatsächlich gibt es über 300 erloschene Vulkane in dieser Region, die heute viele Wanderer und Wellnesstouristen anzieht. Und Schriftsteller: Berndorfs Eifelkrimis gehörten in den 80er-Jahren zu den ersten „Regionalkrimis“: Spannend ist ja auch die Pleite der überdimensionierten „Erlebniswelt Nürburgring“, die Kurt Beck unlängst ins Straucheln brachte … auch das wurde schon zum Krimi verarbeitet. Im Westen der Kölner Bucht kann man aus der Ferne die Abbaustätten des Rheinischen Braunkohlereviers erkennen: Die größten Bagger der Welt sind hier im Einsatz, hin und wieder müssen ganze Dörfer umgesiedelt werden.

Doch nun näher wir uns der westlichsten Stadt Deutschlands im Dreiländereck mit den Niederlanden und Belgien. Hier war einmal das Zentrum des Riesenreichs Karls des Großen.

„Aachen, Kaiserstadt du hehre, aller Städte Kron‘ und Ehre“

…heißt es im einem Hymnus auf den großen Karl, ohne den hier NICHTS zustande kam, wenn man den Legenden glaubt: Sogar die Printen soll er erfunden und die heißen Quellen entdeckt haben!

Doch die waren schon den badefreudigen Römern bekannt, die von weither nach „Aquis Granni“ anreisten. Wegen ihrer berühmten schwefelhaltigen Quellen könnte sich die Kurstadt heute natürlich „Bad Aachen“ nennen, doch man verzichtet darauf, aus alphabethischen Gründen: Sonst stünde man nämlich nicht mehr an 1. Stelle deutscher Städte! Das Wasser, die Brunnen sind allgegenwärtig in Aachen. Sie gliedern auch unseren Stadtrundgang.

Der beginnt am Theaterplatz, wo der „fröhliche Hengst“ wiehert – klar: Aachen ist als Stadt des CHIO („Concours Hippique International Officiel“) jedem Pferdefreund bekannt. Ein paar Schritte weiter stehen wir in den Arkaden des eleganten Elisenbrunnens. Unter den Blicken der preußischen Kronprinzessin Elisabeth Ludovika von Bayern (vielmehr ihrer Büste) kann man das heilsame „Faule-Eier-Wasser“ der Kaiserquelle probieren. Nach einem verheerenden Stadtbrand im 17. Jh. wurde Aachen zum modernsten Badeort Europas ausgebaut und bei gekrönten Häuptern aus aller Welt beliebt: „Was das Feuer zerstört hat, baut das Wasser wieder auf“, so hieß es.

Und dann sind wir schon mitten in der Stadt: Auf dem Münsterplatz drängen sich Weihnachtsmarktsbuden (jede zweite bietet Printen an!). Wie die Pilger des Mittelalters blicken wir auf zu den Galerien des Doms, wo alle 7 Jahre ein sagenhafter Reliquienschatz präsentiert wurde: u.a. die Windeln des Jesuleins, das Lendentuch Christi, das Kleid der Maria. Die Tradition der Heiligtumsfahrten besteht noch immer: 2014 werden die Textilien wieder im hochgotischen Chor des Doms zu bestaunen sein. In den Dom integriert: die 8-eckige Pfalzkapelle Karls des Großen. Der wählte seine Lieblingsresidenz Aachen zum Alterssitz und betätigte sich als Bauherr: Das ganze Areal von Dom bis Rathaus gehörte zur mächtigen Kaiserpfalz. Darum herum entwickelte sich die Stadt.

Wir spazieren um diese Keimzelle herum zum Puppenbrunnen, dessen bewegliche Figuren die Stadtgeschichte erzählen: Neben Marktfrau und Domherren repräsentiert eine Modepuppe im Rüschenkleid die Textil- und Nadelindustrie (Tatsächlich kam noch vor 100 Jahren jede 2. Nadel aus Aachen!) Ein Professor vertritt die RTWH, Exzellenz-Uni für technische Fächer, ein Harlekin den Ocher Karneval, ein römischer Reiter die historischen Wurzeln.

Gleich um die Ecke, wo Reste antiker Arkaden von der einstigen Römertherme zeugen, befand sich die kaiserliche Badeanstalt, in der Karl der Große und sein Gefolge zu relaxen pflegten. Ein paar Gassen weiter begrüßt das „Printenmädchen“ die Gäste der berühmten Alt-Aachener Café-Stuben. Auf dem Hühnermarkt wird ein „Hühnerdieb“ vom Krähen des gestohlenen Hahns verraten. Im schönen Rokoko-Palais daneben begründete der Apotheker Monheim einst das Schokoladen-Imperium Trumpf.

Doch nun sind wir am gotischen Rathaus, errichtet auf den Grundmauern der „Aula Regia“ des Kaiserpalastes. Die Fassade, an der 50 Herrscher des Hl. Römischen Reichs strammstehen (30 von ihnen wurden in Aachen gekrönt!) geht aufs 19. Jh. zurück. Älter ist der Karlsbrunnen davor. Die Kaiserfigur über der „Eäzekomp“ (Erbsensuppenschüssel wird die Brunnenschüssel genannt) leidet etwas unter der Konkurrenz der riesigen bunten Printenmänner, die den Weihnachtsmarkt dekorieren.

„Printe“ ist das Stichwort!

Der Nachmittag gehört dem Aachener Traditionsgebäck, in dessen Geheimnisse uns Printenbäcker Klein in seiner Backstube unterhaltsam einweiht. Ganz ohne Fett und Eier, aus Zucker, Rübensirup, Mehl und jeder Menge Gewürzen entsteht der Printenteig. Früher wurde er in Model gepresst, daher der Name: „prenten“ = drücken! Wir lernen, dass harte Printen nicht alt, sondern frisch gebacken sind, man sie aber mit Dampf weicher machen und mit Schokolade versiegeln kann. Wir probieren von allem, weiche Schokoprinten, krosse Printenstängeln mit Mandelsplittern und Konfekt, und erfahren, dass die Aachener mit ihren Printen auch Sauerbraten und Leberwurst verfeinern. Bepackt mit Proviant für 4 Adventswochen fahren wir ins Hotel.

Kleiner Nackedei, großer Kaiser und ein Weihnachtsmarkt unter der Erde

Der nächste Vormittag gehört ganz Karl dem Großen. Na ja, fast ganz: Auf dem Weg zum Domschatz kommen wir an einer Aachener Berühmtheit vorbei: dem Fischpüddelchen. Als man 1911 den kleinen Nackedei auf dem Fischmarkt aufstellte, sorgte das für einen Skandal! Mehrmals wurde die Brunnenfigur entführt, ins Museum verbannt, schließlich polizeilich bewacht (Dabei spucken hier die Fische das Wasser – nicht wie beim sehr ähnlichen Manneken Pis …).

Jetzt wird’s ernst: wir betreten die Hochsicherheitszone! Durch dicke, gepanzerte Türen gelangen wir ins Halbdunkel der Domschatzkammer. Domführer Lemoine fasziniert alle mit seiner Erzählkunst, lüftet die Geheimnisse des über 1000 Jahre alten, edelsteinbesetzten Lotharkreuzes, die abenteuerliche Geschichte des antiken Proserpina-Sarkophags, der ersten Ruhestätte Karls, und erklärt die weltberühmte silberne Karlsbüste, die man jedem Herrscher zum Empfang entgegentrug, damit er die im Inneren verborgene kaiserliche Schädeldecke küssen konnte. Im Dom selbst bewundern wir den mächtigen Barbarossa-Leuchter im Oktogon, die Fresken, bei denen Kaiser Wilhelm II. mitmischte, den goldenen Schrein und den merkwürdigen Thron Karls des Großen, gefertigt aus Marmor der Grabkammer Christi. Natürlich waren die Aachener beim Dombau mit dem Teufel im Bunde …

Nach so viel Kunst bietet ein Ausflug ins nahe Holland willkommene Abwechslung: Das Örtchen Valkenburg zu Füßen der einzigen Höhenburg der Niederlande ist bekannt für seine unterirdischen Weihnachtsmärkte in ehemaligen Mergelstollen. In der Tat ist es ganz lustig, im Labyrinth der Gänge umherzuspazieren und mal unter der Erde Kaffee zu trinken. Das Angebot ist allerdings wenig originell und draußen herrscht eine „Drosselgassen-Atmosphäre“: Kneipe an Kneipe, Billig-Souvenirs ohne Ende (Plüsch-Holzschuhe scheinen gerade der große Renner zu sein). Besonders weihnachtlich ist das nicht.

Kölner Dom

Kölner Dom

Viva Colonia und Adventsstimmung im Bergischen Land

Am nächsten Morgen führt uns ein Ausflug nach Köln. Zum Glück sind wir früh da, noch vor dem großen Ansturm. Unser kleiner Rundgang durch die (eiskalte) „Altstadt“ – in der ja nicht viel wirklich alt ist – führt uns zunächst am Römisch-Germanischen Museum vorbei, wo wir einen Blick auf das prächtige Dionysos-Mosaik werfen. Beim Heinzelmännchenbrunnen vertreibt die schöne Schneidersfrau gerade die fleißigen Kobolde, im Brauhaus Früh dahinter ist schon Betrieb, nomen est omen. Wo sich die selbstbewussten Bürger im Mittelalter das erste Rathaus auf deutschem Boden errichteten, war schon zu Römerzeit die Machtzentrale. Über 100 Statuen am Rathausturm erinnern an große Kölner, von der Stadtgründerin (und Gattenmörderin) Agrippina bis Konrad Adenauer. Heute wird hier türkische Hochzeit gefeiert: Man tanzt unter der Renaissance-Laube. Direkt daneben wird fleißig gebuddelt und gebaut: ein archäologisches und ein Jüdisches Museum entstehen hier, in enger Nachbarschaft mit dem Wallraf-Richards- und dem Duftmuseum. Da könnten wir in die Geschichte des „Eau de Cologne“ hineinschnuppern und erfahren, dass das von Italienern erfundene „Wunderwasser“ als Allheilmittel auch gegen Herzrasen und sogar gegen die Pest helfen sollte. Vorbei am mittelalterlichen Tanzhaus Gürzenich, Kölns „guter Stube“, spazieren wir zum Heumarkt, wo die Eisbahn auf Kundschaft wartet. Eine winzige Gasse führt uns zum Eisenmarkt mit dem sympathischen Millowitsch-Denkmal: Im Hänneschen-Puppentheater begründete einst sein Urgroßvater die Familientradition. Auf dem Fischmarkt am Rhein genießen wir den schönen Blick auf bunte Giebelhäuser und Groß St. Martin, eine der 12 romanischen Kirchen, die die Kölner Altstadt wie Perlen einer Schnur umgeben. Noch sind die Weihnachtsmarkt-Buden am Alter Markt verrammelt, doch das nostalgische Heinzelmännchen-Karussell dreht sich schon. Bald wird es hier kein Durchkommen mehr geben!

Nun erwartet und der Hohe Dom zu Köln, die größte gotische Kathedrale der Welt, entstanden in über 600 Jahren, jeden Tag kommen 20.000 Besucher her – im Durchschnitt. Heute sind die alle schon drin, glaube ich. Echt schwierig, sich nicht zu verlieren! Angemessen beeindruckt stehen wir schließlich vor dem golden glitzernden Schrein der Heiligen Drei Könige, aus Mailand hergebracht durch Reichskanzler Reinald von Dassel im Auftrag von Barbarossa persönlich, dem berühmtesten Knochendieb der Geschichte. Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone ist leider geschlossen, der Blick auf den tapferen Gereon und die Heilige Ursula samt ihrer 11.000 Jungfrauen leider verwehrt (oder waren es 11? tolle Geschichte gibt es da…). Offiziell 1880 vollendet, ist der Dom heute ein permanenter „Pflegefall“: über 100 Handwerker der Dombauhütte tauschen jedes Jahr 150.000 t Stein aus – getreu dem Sprichwort: „Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter.“ Neu im Dom ist das Gerhard-Richter-Fenster aus über 11.000 bunten Glasquadraten, das dem Kardinal Meisner so missfällt: uns fasziniert uns! Diejenigen, die zur Andacht geblieben sind, werden sogar mit dem wundersamen Farbenspiel der Sonnenstrahlen belohnt. Die anderen stürzen sich ins Gewühl tausender Touristen, die aus allen „Löchern“ (vor allem aus der Bahnhofsunterführung) herbeiströmen und Weihnachtsmärkte und Shoppingmeilen bevölkern.

Adventsstimmung im Bergischen Land

Eine wahre Erholung nach dem chaotischen Köln ist der Abstecher ins Bergische Land. Im Altenberger Dom besuchen wir eine Adventsandacht: Eine Schulklasse musiziert und endlich kommt richtig vorweihnachtliche Stimmung auf! Anschließend werden wir in die Geschichte der ehemaligen Zisterzienser-Abtei und der schönen Kirche eingeführt, bewundern die trotz der gebotenen Schlichtheit wunderbar gestalteten Fenster und lernen einiges über Bernard von Clairvaux – und dass der Name dieses Landstrichs nicht etwa von den Bergen, sondern von den Grafen von Berg stammt.

 

 

 

 

Maria Laach

Maria Laach

Letzte Etappe: Kloster Maria Laach

 

 

 

Wir nehmen Abschied von Aachen und durchqueren wieder die Eifel. Bummel durch das romantische Mittelalterstädtchen Ahrweiler mit seiner gewaltigen Stadtmauer. Leider ist’s zu früh für eine Kostprobe der berühmten Ahr-Weine. Doch hier gibt’s ja auch „Apollinaris“: Ein Winzer entdeckte beim Umgraben seines Weinbergs die Quelle, die das benachbarte Bad Neuenahr im 19. Jh. zur Kurstadt machte.

Ein gewaltiger Vulkanausbruch hat vor 12.000 Jahren den Laacher See hervorgebracht, an dessen Ufern wir eine der berühmtesten romanischen Kirchen Deutschlands besuchen. Am Eingang zum „Paradies“, der Vorhalle zur Klosterkirche, notiert ein Teufelchen die Sünden der Kirchgänger. Innen lauschen wir dem Stundengebet der Mönche – ein stimmungsvoller Abschluss unserer Adventsfahrt.