Advent im Spreewald

15. April 1997: Der Erstligist KSC verliert im Schneetreiben von Cottbus das Pokalhalbfinale gegen den örtlichen Regionalligisten. 25. November 2022: Ist dieses Städtchen gar nicht so schrecklich, wie ich seit 25 Jahren glaube?

Der wunderbare Reiseleiter Aleksander Stec erwartet uns in Cottbus am Busparkplatz. Von hier sind es 200 m zum Hotel in der Fußgängerzone. Es ist fast dunkel, als wir mit ihm nach dem Zimmerbezug durch die schöne Altstadt mit dem Weihnachtsmarkt bummeln und den ersten Reisetag mit einem Glühwein als Aperitif und einem anschließendem 3-Gang-Menu im Hotel krönen.

Wer mich ganz kennenlernen will, muß meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz.

Fürst Hermann von Pückler-Muskau

Den zweiten Tag widmen wir Fürst Pückler. In Bad Muskau sehen wir sein Schloss und wandern durch einen Teil des riesigen Parks. Uralte Bäume erinnern an knorrige Fabelwesen. Wir spazieren über die Neisse und sind, oh Schreck, in Polen. Aleksander Stec unterhält uns mit Geschichten und Anekdoten des Lebemanns Pückler. Zurück am Bus wartet unser Fahrer Frank Baumgärtner mit wärmendem Kaffee und feinem Stollen.

Nun ist die wirtschaftliche Entwicklung der Niederlausitz Thema. Gebrüder Hirsch hießen die Erbauer der Glashütte in Döbern, die heute eine gläserne Pyramide mit einem zweistöckigen Verkaufsraum schmückt.

Ein aktuelles Beispiel für den Gründergeist in der Region ist die Confiserie Felicitas in Hornow, von einem belgischen Ehepaar vor über 30 Jahren ins Leben gerufen. Wir werden gastfreundlich erwartet und hören die Erfolgsgeschichte. Die Chefin nimmt dem Vernehmen nach am Tag bis zu 20 Pralinen zu sich und ist dennoch rank und schlank. Wir nehmen sie zum Vorbild und ersetzen das Mittagessen durch Süßes.

Der Kreis des Tages schließt sich: wir sind wieder bei Fürst Pückler zu Gast. In Branitz lockt sein Park mit zwei Pyramiden: eine zu Wasser, eine zu Land. Aleksander Stec erzählt von den Reisen des Fürsten und von seinen Frauen (die von Fürst Pückler, nicht die von Herrn Stec).

Unser Parkrundgang endet beim Schloss. Ein engagierter Führer zeigt uns die Räumlichkeiten. Er ist beeindruckt vom Hirsch-Funk, wir von den Orienträumen und der Bibliothek.

Der dritte Tag kommt mit blauem Himmel und Sonnenschein. Wenn Engel reisen. In der Früh wiederhole ich die Runde von vorgestern, um die Altstadt im Hellen zu sehen und zu fotografieren. Anschließend brechen wir auf in den Spreewald, mit kurzem Stopp am mächtigen Jugendstil-Theater von Cottbus.

Die Morgensonne kämpft mit dem Nebel zwischen Feldern und Kiefernwäldern, während Aleksander Stec in die Sagen und Legenden des Spreewalds einführt – nicht ohne seine geliebten Kalauer (Kalau liegt, wie wir gelernt haben, nicht weit von hier). Heiterkeit im Bus. Wir halten an einem Bahnhof der stillgelegten Schmalspurbahn, die früher die Berliner Touristen in den Spreewald gebracht hat. Heute kommen sie mit dem Auto.

In Straupitz besuchen wir die Holländer-Windmühle. Originell, unterhaltsam und informativ ist die Führung durch die Korn-, Säge und Ölmühle. Der Müller zeigt uns, wie Leinöl gewonnen wird, und lädt ein zur Verkostung. Soll ja wahnsinnig gesund sein.

Dann zu Schinkels Kirche im selben Ort: der Gottesdienst ist vorüber, wohl Trauergottesdienst und Taufe gleichzeitig. Die sehr nette und herzliche Taufpatin lässt es sich nicht nehmen, uns persönlich zu begrüßen und die Kirche zu erklären. Der Pfarrer kommt nicht mehr zu Wort.

Einzelne Häuser werden sichtbar; wir haben Lehde, das erste Spreewalddorf, erreicht. Es ist die Lagunenstadt in Taschenformat, ein Venedig, wie es vor 1.500 Jahren gewesen sein mag.

Theodor Fontane

Höhepunkt des Tages ist die „Spreewald-Weihnacht“. Ein Kahn-Shuttle bringt uns in einer guten halben Stunde von Lübbenau nach Lehde. Ruhig gleiten wir durch die sonnige Landschaft und bewundern die reetgedeckten Holzhäuser. Eine Zeitreise. Das Freilichtmuseum ist ein großer Weihnachtsmarkt zwischen alten Bauernhäusern. Man trifft sich und bummelt, staunt und isst, quatscht und trinkt, kauft Spreewaldgurken. Und kann den Wettergott gar nicht genug loben! Von einer Brücke bewundern Frank Baumgärtner und ich das Gewusel an Ein- und Ausstiegsstelle der Kähne. Ein herrliches Spektakel. Die Sonne steht immer tiefer, es wird frisch, und in wärmende Decken gehüllt machen wir uns auf die Rückreise mit dem Kahn.

Und schon wieder Rückreise. Wie schade. Aleksander Stec macht mit uns einen Abstecher nach Sachsen, nach Kamenz, Geburtsort von Gotthold Ephraim Lessing. Ein ruhiges Städtchen, noch nicht so durchsaniert wie andere Orte. Wir wandeln auf Lessings Spuren und verpflegen uns in der örtlichen Bäckerei.

Letzte Station ist das Kloster Marienstern in Panschwitz-Kuckau, eine beeindruckende Zisterzienserinnen-Anlage nur wenige Kilometer von Kamenz entfernt. Es empfängt uns ein trockener Westfale aus Paderborn. Er berichtet über das Kloster und seine Entwicklung, von den Schwestern, von den Menschen mit Behinderung, die heute hier wohnen und arbeiten, und zeigt uns die große Kirche mit dem „Hussitenfenster“. Wer nicht im Klosterladen versackt, hat anschließend noch die Gelegenheit dem „Sext und Non“ der Schwestern zu lauschen.

Ein würdiger Abschluss der Reise, bevor es auf die Autobahn Richtung Karlsruhe geht. Ein großer Dank an unseren Fahrer Frank Baumgärtner und unseren Reiseleiter Aleksander Stec für diese schöne Reise!