75 Jahre Entdeckung von Lascaux

Am 12. September 1940 fanden vier Jungs durch Zufall die Höhle mit den prächtigsten Malereien der Steinzeit! Die Geschichte ist so schön, dass wir sie zum Jahrestag hier erzählen möchten:

Das Périgord, eine ländliche Region mit reicher Geschichte, liegt etwas abseits im Südwesten Frankreichs. Große Städte sind fern. Hier findet man noch das authentische Frankreich und herrliche Flüsse wie die Dordogne, die sich durch eine Märchenlandschaft voller Burgen und malerischer Städtchen schlängelt. An Dordogne und Vézère stand in grauer Vorzeit die Wiege der Menschheit in Europa: Nirgends sonst gibt es prähistorische Zeugnisse in solcher Dichte zu bestaunen.

Unter den Felsüberhängen an der Dordogne lebten schon die Cro-Magnon-Menschen, wie hier in Les Eyzies.

Unter den Felsüberhängen an der Dordogne lebten schon die Cro-Magnon-Menschen, wie hier in Les Eyzies.

Wie vier Jungs zu Entdeckern wurden

Im kleinen Städtchen Montignac verbrachten vier Jungs die langen Sommerferien im Kriegsjahr 1940. Sie hießen Marcel Ravidat, Jacques Marsal, Georges Agnel und Simon Coencas. Häufig stromerten sie mit ihrem Hund durch die Gegend. Als dieser eines Tage davonlief, ließen sie sich auf der Suche nach ihm in ein Erdloch hinab: Ein vom Sturm entwurzelter Baum hatte den Eingang zu einer Höhle freigelegt. Ein rätselhafter Ort! Sie witterten ein Abenteuer! Als sie einige Tage später mit Lampen und Seilen ausgerüstet wiederkamen, stießen sie auf die wunderbare Malereien – wie sich herausstellen sollte, die besterhaltenen prähistorischen Malereien Europas! Ihre Entdeckung verrieten sie ihrem Lehrer, der sich an den damals berühmtesten Prähistoriker Frankreichs, den Abbé Breuil wandte. Der „Papst der Vorgeschichte“ eilte sogleich nach Lascaux, bestätigte die Echtheit und das ungeheure Alter der Höhle. Doch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte man zunächst andere Sorgen – so ging die Kunde von dem sensationellen Fund erst 1945 so richtig um den Erdball.

17.000 Jahre konserviert und jetzt bedroht

Nach dem Krieg wurde die Höhle von Lascaux erschlossen und allgemein zugänglich gemacht. Bis zu 1.500 Besucher drängten sich jeden Tag darin. Das CO₂ ihrer Atemluft und eingetragene Sporen und Pilze begannen ihr Zerstörungswerk. Die Wandbilder waren schließlich derart gefährdet, dass Kulturminister André Malraux 1963 beschloss, die Höhle für die Öffentlichkeit zu schließen. Das ist sie bis heute.

Dass trotzdem keiner wieder abreisen muss, ohne das prähistorische Meisterwerk gebührend bestaunt zu haben, verdanken wir dem Nachbau: Die maßstabsgetreue Nachbildung „Lascaux II“ entstand 1983 noch im vordigitalen Zeitalter, ganz ohne Computertechnik, nur wenige Meter von der Originalhöhle entfernt. Und trotz Beton-Eingang ist die Wirkung ganz erstaunlich! Man fühlt sich 17.000 Jahre zurückversetzt. Und es ist ein bisschen unheimlich, wenn sich im Schummerlicht die riesigen Stiere an der Decke über einem erheben – der größte über 5m hoch. Gleich kommt der Schamane aus dem Schatten, um seine Jagdzauber zu sprechen! Gleich versammeln sich die Jäger ums Feuer … Wir zählen Kühe und Hirsche und lassen unserer Phantasie freien Lauf.

Die wichtigsten Abschnitte der Höhle wie der „Saal der Stiere“ wurden rekonstruiert, die Malereien mit derselben Technik und den gleichen Farben wie das Original gefertigt. Sie offenbaren das enorme handwerkliche Geschick der Steinzeit-Maler. Die Cro-Magnons (der Name kommt vom Fundort, der kleinen Bahnstation bei Les Eyzies im Tal der Vézère) waren die ersten Künstler der Menschheit. Faszinierend ist die Kombination verschiedener Techniken: Ritzen, Sprühen, Zeichnen. Ganz lebensecht wirkt die Gestalt der Tiere, die meisten in Bewegung und überaus plastisch – ein virtuoses Spiel mit dem Untergrund. Rätselhaft allemal, denn der Sinn der Bilder ist bis heute nicht entschlüsselt. Sie gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Einer der ersten, die 1940, im Jahr der Entdeckung, Lascaux besuchten, war übrigens Pablo Picasso. Sein Kommentar: „Wir haben nichts Neues gelernt.“

Wie jedes Jahr im Herbst ist auch dieser Tage wieder eine Hirsch Studienreise im Périgord unterwegs. Gute Reise! Allen anderen raten wir: Schon mal vormerken für 2016!