Hirsch Reise nach Ostfriesland

 Dünen von Langeoog - Wikimedia Commons

20.07. In diesem Jahr hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, die Hirsch Reise nach Ostfriesland zu fahren. Als gebürtiger Ostfriese bin ich der Gegend und den Menschen dort sehr verbunden – auch wenn ich nun schon ewig im Schwäbischen lebe. Das Programm der Ostfrieslandreise habe ich vor einigen Jahren selbst geschrieben. Und für viele Hirsch-Gäste war es etwas Neues. Das weite Land mit den roten Backsteinhäusern, den vielen alten Windmühlen und modernen Windrädern, das Wattenmeer, die endlosen Strände der Inseln, die kleinen Fehnorte und die Sielhäfen – das hat schon was!

Auch unser Reiseleiter, Renke Siefken, ist ein Erlebnis! Lehrer, Jugendherbergsvater, Reiseleiter und ostfriesisches „Original“, ein Hüne mit Prinz-Heinrich-Mütze, der jeden und alles kennt und Land und Leute super rüberbringt. Unser Hotel in Wittmund ist das „erste Haus am Platz“, direkt am Markt. Alle sind sehr nett und wir fühlen uns dort immer sehr wohl. Vor allem das großartige Fischbüffet freitags verdient eine besondere Erwähnung! Diesmal hören wir ganz unerwartete Klänge: hier sind nämlich zurzeit Angehörige der Schweizer Luftwaffe einquartiert, die über der Nordsee Tiefflug üben und auch mal auf dem Marktplatz Alphorn blasen. Wittmund selbst ist ein recht verschlafenes Städtchen – wenn nicht gerade Bürgermarkt ist, das große Stadtfest, das am Vorabend unserer Ankunft gerade zu Ende gegangen war.

21.07. Die erste Tagestour führt unsere 22-köpfige Gruppe ins nahe Jever, das jeder aus der Werbung für das „friesisch herbe“ Bier kennt. Weniger bekannt ist, dass es hier ein sehenswertes Schloss mit mächtigem Turm und schönen Renaissancesälen gibt. Fräulein Maria von Jever, die letzte Regentin des Jeverlandes, sorgte dafür, dass die Stadt 1536 Stadtrechte bekam und wird bis heute verehrt. Ihrem Vater, Häuptling Edo Wiemken, stiftete sie in der Stadtkirche ein großartiges Grabdenkmal. Von hier führt der Weg zu den verspiegelten Gärtürmen des „Friesischen Brauhauses zu Jever“. Die traditionsreiche Brauerei ist heute eine der modernsten Deutschlands, gehört allerdings inzwischen zur Radeberger Gruppe. Im historischen Museum erfahren wir viel zum klassischen Brauverfahren und zum Reinheitsgebot. Spannender finde ich aber die moderne Technik der Produktionsstätten und der Abfüllanlage, die wir anschließend durchwandern, und wo Zehntausende Flaschen auf Fließbändern an uns vorbeiziehen.

Über die Küstenstraße fahren wir gen Wilhelmshaven am Jadebusen. Bei Greetsiel warten wir ewig vor einer Klappbrücke, bis alle Freizeitkapitäne durch die Schleuse gefahren sind. Dann „klemmt“ die Brücke und kann nicht wieder heruntergelassen werden! Wir machen eiligst kehrt und sausen auf Umwegen zum Ziel – beinahe verpassen wir die Hafenrundfahrt! Doch Renke hat dafür gesorgt, dass der Kapitän wartet, und so kommt die Hirschgruppe doch noch zu ihrer Schifffahrt durch den einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands, der vor allem als Ölhafen, als Standort der petrochemischen Industrie und als Marinestützpunkt bedeutend ist. Zum Abschluss gibt’s einen Bummel auf der Südstrandpromenade.

22.07. Wattwandertag! Da Ebbe und Flut heute unseren Tagesplan bestimmen, heißt es am Morgen: „Leinen los!“ zur Schifffahrt auf die Insel Baltrum. Hier haben wir nun Freizeit bis zum späten Nachmittag, denn erst dann kann die Wattwanderung zum Festland beginnen. Zeit genug also zum Baden, fürs Wattenmeerhaus oder für Spaziergänge durch die Dünen. Um 17h versammeln sich die Wanderer dann am Treffpunkt. Abgehärtete wie ich barfuß, manche mit alten Turnschuhen, andere mit Socken (die dann später im Schlick verloren gehen). Erst geht es über angenehm festen Boden, dann durch flachen Schlick, hin und wieder durch knietiefe Priele – wobei laut unserem Wattführer „das Knie auch mal am Bauch sein kann“ … Wir staunen über die Hinterlassenschaften der unsichtbaren Wattwürmer und anderes Meeresgetier; Ansichtsexemplare hat der Wattführer in einem Glas dabei. Das Wetter ist herrlich: strahlender Sonnenschein! Bei der leichten Brise spürt man die Kraft der Sonne kaum, erst abends entdecke ich meinen Sonnenbrand… Wenn man den letzten langen Priel durchquert hat, kommt der anspruchsvolle Teil der Wanderung! Das letzte Stück bis zum Schiffsanleger in Nesmersiel hat es in sich: Durch tiefen, rutschigen Schlick zu laufen ist anstrengend, man muss ganz gleichmäßig gehen, aufs Gleichgewicht achten und sollte möglichst nicht länger stehenbleiben. Vor allem mit Schuhen wird’s jetzt so richtig schwierig. Das merkten auch mehrere Damen unserer Gruppe, die die Balance verloren und (weich) im Schlick landeten. Natürlich waren gleich kräftige Männer zur Stelle, um sie wieder auf die Beine zu stellen. Sie nahmen’s mit Humor und lachten noch Tage später darüber. Sorge machte ihnen nur, dass sie die Sitzpolster im Bus verschmutzen könnten – doch da halfen „gelbe Säcke“ aus meinem Vorrat. Abgekämpft aber bester Laune kamen wir spät ins Hotel zurück, und beim leckeren Abendbüffet und später an der Bar (wie ich gehört habe) war die Stimmung einfach großartig!

23.07. Nach einer kurzen Nacht und reichhaltigem Frühstück brechen wir auf nach Wiesmoor. Renke hat seine Beziehungen spielen lassen und das Freilichtmuseum öffnet extra für uns 1h früher. Hier dreht sich alles ums Leben im und vom Moor. Renke berichtet vom harten Leben der Torfstecherfamilien und gibt Anekdoten zum Besten. Alte Werkstätten, eine Schule und ein Tante Emma Laden von anno dazumal lassen nostalgische Erinnerungen aufkommen. Wiesmoor ist heute übrigens das Zentrum des Blumenerde-Vertriebs, der große Park ein Paradies für Gartenfreunde. Über die Fehnroute (Fehn ist das ostfriesische Wort für „Moor“), entlang malerischer Kanäle, über viele Brücken und durch kleine Dörfer kommen wir ins Emsland, nach Papenburg.

Meyer Werft in Papenburg

Meyer Werft in Papenburg

Die Besichtigung der Meyer Werft, die Kreuzfahrtschiffe für Reedereien aus der ganzen Welt baut, ist für mich immer ein Highlight unserer Reise. Im Besucherzentrum gibt’s Filme und ein Museum mit sämtlichen Schiffen der Werft als Modell (kurios: das „Kreuzfahrtschiff“ für Schafe, die von Neuseeland nach Arabien transportiert werden). Am interessantesten ist aber der Blick in die beiden riesigen überdachten Baudocks. Drei Ozeanriesen sind zugleich im Bau: Der für Celebrity-Cruises ist halb fertig, gerade begonnen ein gigantisches Kreuzfahrtschiff für den Disney-Konzern, das über 330m lang und 37m breit werden soll. Fast fertig ist die kleinere „Aida Blu“, die Ende Januar durch die Ems überführt werden soll. Das ist jedes Mal ein Spektakel, zu dem Tausende Schaulustige anreisen. Das Emssperrwerk nah der Mündung in den Dollart staut den Fluss, damit die mächtigen Luxusliner genug Tiefgang haben. Der logistische Aufwand für den Bau eines Kreuzfahrtschiffes ist ungeheuer beeindruckend: Design, Planung, Konstruktion und Fertigung erfolgen computergestützt. Gebaut wird nach dem „Lego-Prinzip“: Kleine vorgefertigte Teile werden zu immer größeren Einheiten zusammengesetzt. Zuerst werden Stahlplatten zu Paneelen zusammengeschweißt, diese zu Sektionen verbunden und mit Elektrik ausgestattet. Aus den Sektionen entstehen Blöcke, die ganz zum Schluss zum Schiffskörper verschweißt werden. Ein Kreuzfahrtschiff entsteht aus etwa 65 Blöcken à 800t!

24.07. Inselausflug nach Langeoog! Anfangs ist das Wetter herrlich. Vorbei am neuen Lale-Andersen-Denkmal „unter der Laterne“ spazieren wir zum Leuchtturm und über den Dünenweg. Ich habe eigentlich vor, in einem Strandkorb zu relaxen, doch das verhindert ein plötzliches Unwetter. Urlauber und Tagestouristen fliehen vom Strand und drängen in die Cafés, einige Unermüdliche aus der Hirsch Gruppe gehen trotzdem bis zur Melkhorn-Düne, der höchsten Erhebung der Insel – ich entscheide mich lieber für leckeren Matjes in einem der vielen Lokale. Kurz vor unserer Abfahrt mir dem Inselbähnchen zur Fähre lacht die Sonne wieder – auch die schnellen Wetterwechsel gehören eben zu Ostfriesland! Zum Trost legt Renke mit den Gästen noch einen Abstecher zur Küstenbrauerei mit ihrem süffigen dunklen Bier ein.

Hafen Greetsiel - Wikipedia Commons

25.07. Das düstere Regenwetter, das unsere Fahrt auf der Störtebeker-Straße heute begleitet, passt immerhin zur Geschichte des Freibeuters. Wir besuchen die idyllischen Sielhafenorte Neuharlingersiel und Carolinensiel mit dem netten alten Kapitänshaus und dem Sielhafenmuseum, das über Küstenfischerei, Deichbau und regionale Kultur informiert. In Norden bummele ich dann über den Wochenmarkt, während Renke unsere Gäste im Teemuseum über die ostfriesische Teekultur aufklärt: Die Ostfriesenmischung genießt man in kleinen, flachen Tassen, die Kluntje müssen knistern, und mit dem kleinen Silberlöffelchen muss man Sahnewölkchen machen – auch mir schmeckt mein Tee nur so! Letzter Programmpunkt unserer Reise sind die 70 Heuler, die die Seehundaufzuchtstation von Norddeich derzeit in Pflege hat. Dann nehmen wir Abschied von Renke, der als kulinarisches Souvenir noch ostfriesische „Moorwürste“ zum Grillen an den Mann bringt. Morgen geht’s mit einer hochzufriedenen Truppe im Bus zurück nach Karlsruhe.

Link: https://www.hirschreisen.de/reiseziele/deutschland/ostfriesland/